218 Jüdischer Sokrates und jüdischer Diogenes
Welt der Jeschiva, aber hatte darüber hinaus bürgerliche Bildung und Kenntnisse von Fremdsprachen, Wissenschaften und Künsten erworben. Er befürwortete die Aufklärung und betrieb deren Verbreitung unter Juden aktiv, indem er im publizistischen Sprachrohr der Haskala, der hebräischen Zeitschrift HaMe’assef, publizierte und mit dem Givat HaMore 1791 einen aufgeklärten Kommentar zum ersten Teil von Maimonides’ More Nevuchim in hebräischer Sprache verfaßte, dessen Leser nur Juden sein konnten. Zugleich hat Maimon das noch nicht aufgeklärte Judentum vor allem Osteuropas öffentlich kritisiert - alles Aktivitäten, die er mit Berliner Maskilim wie Naf- tali Hartwig Wessely, Isaak Satanow, Herz Homberg, Saul Ascher, Lazarus Bendavid, David Friedländer, Isaak Eu- chel oder Saul Berlin teilte. Daß er keine Schrift für die politische Gleichberechtigung der Juden schrieb, ist nicht einmal untypisch: Das taten ebensowenig Salomo Dubno, Aron Gumpertz, Markus Elieser Bloch, Daniel Itzig, Markus Herz, Moses Hirschei, Avigdor Levi, Joel Löwe, Joseph Mendelssohn oder Isaak Satanow. Seine Überzeugung von der intellektuellen Gleichberechtigung und Gleichwertigkeit von jüdischen und nicht jüdischen Autoren durchzieht alle Schriften und auch Sozialkontakte Maimons. Maimon wurde von den älteren Maskilim gefördert, er verkehrte in den Salons der Maskilim, zeitweise auch in ihren Vereinen wie der Gesellschaft der Freunde oder der Gesellschaft der Erforscher der hebräischen Sprache. Mündlich wie publizistisch nahm er in Deutsch, in Hebräisch und in Jiddisch an den Diskursen der Maskilim aktiv teil. Daß er als Philosoph auf die meisten anderen Maskilim despektierlich herabblickte, dürfte seine Beliebtheit unter diesen kaum gesteigert haben, führte jedoch nie zu einem wirklichen Bruch.
Was ihn bei alledem deutlich von den anderen Maskilim unterscheidet, ist das Fehlen von Nachhaltigkeit und Konsequenz bei diesen Unternehmungen, ist Maimons Egozentrik und Sprunghaftigkeit. Er unterscheidet sich