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Psychopathologie des Fin de siècle : der Kulturkritiker, Arzt und Zionist Max Nordau / Christoph Schulte
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Vorwort

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Schwerpunkt in einer Analyse seiner Werke haben und ihn anhand seiner Werke als einen der führenden jüdischen Intellektuellen Europas im Fin de siede darstellen sollte.

Es stellte sich nämlich heraus, daß aufgrund der neu gefundenen und von mir großteils zum ersten Mal gesichteten und ausgewerte­ten Materialien, besonders der Briefe, die Biographie Nordaus ge­nerell auf eine weit sicherere chronologische und damit historisch brauchbare Basis gestellt werden konnte und mußte. Darüber hin­aus konnte zu etlichen Punkten der aus den publizierten Schriften bekannten Positionen und zur Weltanschauung Nordaus, ebenso wie zu wichtigen Lebensentscheidungen und -Stationen ein pri­vater Kontext rekonstruiert werden, der das Bild der bisherigen Nordau-Literatur bereicherte und in einigen wichtigen Punkten korrigierte. Daher wurde aus meiner primär ideengeschichtlich und ideologiekritisch angelegten Werkanalyse, welche die Bedeu­tung Nordaus als eines in Paris, der »Hauptstadt des 19. Jahrhun­derts« (Walter Benjamin) lebenden und schreibenden jüdischen Intellektuellen, eines Schriftstellers, Journalisten, Arztes und füh­renden Zionisten im Kontext von Philosophie, Naturwissenschaf­ten, Psychopathologie, Literatur und Kunst des Fin de siede zeigen sollte, schließlich eine Schrift, die allererst auch eine verläßliche, auf die tatsächlich vorhandenen Dokumente gestützte Biographie Nordaus sein mußte.

Neben den Problemen der Analyse und Darstellung der zahlrei­chen Werke Nordaus im ebenso reichen wie disparaten geistesge­schichtlichen Raum des Fin de siede handelte ich mir auf diese Weise auch noch das Problem ein, nach Freud eine Biographie zu schreiben. Und zwar die Biographie eines Mannes, der anders als Herzl keine Tagebücher hinterlassen hat, aber dafür Hunderte von Briefen, Tausende von Korrespondentenberichten und Zeitungsar­tikeln sowie mehr als drei Dutzend Bücher, die, wie ich beim dem­gemäß ausführlichen Bibliographieren feststellen konnte, in insge­samt nicht weniger als 17 Sprachen übersetzt sind. Eine in diesem Umfang bisher nicht erstellte, aber sicherlich immer noch unvoll­ständige Bibliographie der Werke Nordaus in chronologischer Rei­henfolge ihrer Publikation und Übersetzung findet sich als Ergeb­nis meiner bibliographischen Recherchen vor allem in Jerusalem und Paris am Ende dieser Schrift.