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Psychopathologie des Fin de siècle : der Kulturkritiker, Arzt und Zionist Max Nordau / Christoph Schulte
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Vorwort

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als auch eines Urteils über die Richtigkeit von Nordaus Kritik, denn dieses Urteil hätte in jedem einzelnen Fall je nach Forschungsstand ausgewiesen und begründet werden müssen. Das allerdings hätte quantitativ jeden Rahmen gesprengt; in einigen Fällen, wie etwa dem von Nietzsches Haltung zum Judentum, wäre eine solche Aus­einandersetzung nur im Rahmen einer eigenen Monographie mög­lich gewesen. Und das noch dazu in grundverschiedenen wissen­schaftlichen Disziplinen.

Umgekehrt war es ein großes Problem dieser Arbeit, daß nur zu oft sehr lehrreiche, aber hochspezialisierte Beiträge aus den ver­schiedenen Disziplinen sich ans Detail verloren hatten oder Nordau nur eine Erwähnung am Rande einräumten. Darüber blieb kein Gesamtbild Nordaus, kein intellektuelles oder persönliches Profil mehr sichtbar. Ich sehe daher in dieser Studie und in dem Material, das sie präsentiert, akzentuiert und zusammenfaßt, einen notwendigen Arbeitsschritt, von dem aus spezialisierte Detailfor­schungen neu ansetzen können und sollen. Das ist der Hauptgrund dafür, daß ich des öfteren auch scheinbar belanglose Details wie Datierungen präsentiere, denn sie können Ausgangsmaterial weite­rer Forschungen sein.

Zwischen den ersten und zuletzt geschriebenen Zeilen dieses Buchs liegen annähernd sechs Jahre, in denen ich noch immer Material gefunden habe, das mich die Dinge anders sehen und dar­stellen ließ. Auch dieses Material indessen reichte nicht, um eine glatte, >runde< und lückenlose Biographie zu verfassen. Es bleiben Desiderate, die ich meist auch benenne. Aber Nordau hat so viel geschrieben, gekannt und initiiert, daß wir vor allem biographisch noch Jahre weiterforschen könnten und doch jenes Ende nicht ab­sehbar wäre, das die Niederschrift jeder Arbeit nun einmal mit sich bringt. Wo die Quellen nichts hergeben oder weiteren Hinweisen nachzugehen wäre, habe ich die Lücken belassen und dies nicht verschwiegen. So teilt diese Studie, die eine überarbeitete Fassung meiner Habilitationsschrift ist, das Schicksal der meisten wissen­schaftlichen Arbeiten: Sie hat etwas Vorläufiges. Ihre Qualität kann sich nur darin zeigen, wie spät ihre Ergebnisse überholt sein werden.

Im Juli 1990 konnte ich Mme. Maxa Nordau-Gruenblat, die hochbetagt in Paris lebt, zu ihrem Vater Max Nordau noch persön-