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Jugendjahre in Pest
mit Feder und Tinte). 2 Im Feuilleton kristallisiert sich, zu gegebenem Anlaß, das Vorläufige. Und Nordau ist ein Meister des Feuilletons, wie sich gerade dann zeigt, wenn er, wie hier, nicht eben auf der Höhe seiner Kunst ist, sondern unter notorischem Zeitdruck einige Sätze Gebrauchsprosa herunterschreibt. Einen literarisch nicht übermäßig stilisierten, wenn auch stellenweise leicht pathetischen Zwischenbericht über sich selbst also liefert uns Nordau hier. Eine Geburtstagsadresse, wie er sie anläßlich von Jubiläen und Geburtstagen anderer oft verfaßt hat. Dieses Mal in der ersten Person. Wie gewohnt, benennt er in wenigen Sätzen die wichtigsten Fakten und Ansichten, die von kurzen, skizzenhaften Schilderungen begleitet sind, um das Interesse der Leser zu fesseln. Ein Text, wie ihn der geübte Berufsjournalist leicht an einem halben Vormittag zu Papier bringen konnte.
Und doch ist dies der längste Text, in dem Max Nordau ausdrücklich von sich selbst handelt und in dem er Biographisches preisgibt. Nicht, daß nicht seine Briefe und Bücher, Theaterstücke und Zeitungsartikel sehr viel über ihn verrieten. Aber es gehört zu seinem Stil und zu seinem intellektuellen Weltbild, in scheinbar objektivem Gestus die Sache selber sprechen zu lassen und das Private ganz zurückzustellen. Noch die Idiosynkrasien werden vermeintlich >objektiv< oder >wissenschaftlich< bemäntelt. Nordau hat zu allem eine Meinung, aber diese drückt nur soweit etwas Subjektives aus, als das Eigene wissenschaftlich oder moralisch im Allgemeinen fundiert scheint. Das Private ist nie von öffentlichem Belang - so das Selbstverständnis und die apodiktische Pose des berühmten Autors und Arztes.
Aber zu diesem Anlaß ist Biographisches schwerlich zu vermeiden. Denn zu Ehren des 60. Geburtstages von Nordau erscheint 1909 die Erstausgabe seiner Zionistischen Schriften in Köln. Für
2 Bis ins hohe Alter schrieb Max Nordau alle seine mir bekannten Briefe und Manuskripte handschriftlich. Auch Fotos zeigen ihn mit Feder und Tintenfaß. Von verschiedenen Schreibfedem berichtet das wichtige, auf einem stark biographischen Interview samt eingestreuten, wörtlichen Zitaten von Nordau beruhende Porträt von Robert Harborough Sherard, »Max Nordau. The author of >Degeneration<. His own account of his busy and many-sided life«, in: The Idler, IX (February 1896), S. 14-20. (Eine Kopie dieses Textes verdanke ich Hans-Peter Söder.)