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Jugendjahre in Pest
>deutschon< Pseudonym in den deutschsprachigen Zeitungen der ungarischen Hauptstadt. Zuvor hatte er sich jedoch an der Budape- ster Universität wohl noch unter seinem bürgerlichen Namen als Simcha oder Simon Südfeld immatrikuliert. Aber das läßt sich nur vermuten, denn was wir über Simcha Südfeld wissen, wissen wir von Max Nordau. Max Nordau, der ein anderer sein wollte als jener Judenjunge Simcha Südfeld aus dem Judenviertel in Pest. Max Nordau, der erst mit der zionistischen Erinnerung an sein Judentum beginnt, auch öffentlich über Simcha Südfeld zu schreiben.
Erst der ganz alte Nordau, der Patriarch des Zionismus, mag sich seiner Vorfahren mit dem Namen Südfeld erinnern. In einem seiner letzten handschriftlichen Schreiben, das er, der Handschrift und der mangelhaften Orthographie nach zu urteilen, nach seinem Schlaganfall von 1921 aufs Papier kritzelte, bekennt er sich zu seiner Herkunft aus einer alten sefardischen Familie, die nach der Vertreibung aus Österreich in Polen seßhaft geworden war und dort Generationen aschkenasischer Rabbiner hervorgebracht hatte. Das Schreiben ist an seinen Neffen Alfred Südfeld gerichtet, der ironischerweise im Nordau verhaßten Budapest einen Max- Nordau-Gedenkraum eingerichtet hat, für den er Anfang der 30er Jahre auch einen Familien-Stammbaum der Südfelds zeichnete. Dieser Stammbaum trägt die Daten und Namen, die ihm sein Onkel Max Nordau hier in einem Brief aus Paris mitteilt:
»Hochgeehrter Herr,
Ich sende Ihnen gern die genealogischen Notizen, die Sie wünschen.
Schriftstück mit diesem Datum. Bei der Angabe »11. April 1874« statt 1873 in Meine Selbstbiographie (s. o.) handelt es sich entweder um einen Irrtum Nord- aus oder einen Druckfehler. Die Wahrscheinlichkeit spricht dafür, daß Nordau die Legalisierung der Namensänderung erst nach dem Tod seines Vaters 1872 zu beantragen wagte (der vermutlich seine Zustimmung verweigert hätte) und sie dann aus pragmatischen Erwägungen heraus im Vorfeld seiner lange geplanten Reise durch Europa am 7.1.1873 beantragt hat, um Schwierigkeiten bei Paß- und Visaanträgen zu vermeiden. Denn er schrieb nicht nur, sondern reiste, logierte und bekam Post als »Dr. Max Nordau«. Die Datumsangabe seiner handgeschriebenen genealogischen Notizen darf also, auch wenn wir das entsprechende Aktenstück nicht mehr haben, als korrekt gelten.