Exodus aus dem Judentum
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Wollte er als deutscher Autor Erfolg haben, mußte er aus Budapest Weggehen. Wollte er seine Existenz als Pester Jude verändern, mußte er nicht nur seinen jüdischen Namen ändern, sondern auch seinen Wohnort. Beides, das Jüdische und das Ungarische des Pester Juden, wollte der junge Nordau loswerden. Das vermochte er erst durch den Ortswechsel, der dem Namenswechsel im Wochenabstand folgte: Erst das Wahl-Exil in Paris, das ihm später zur Wahl-Heimat wurde, bietet ihm voll und ganz die Möglichkeit, sich ohne Einschränkung als deutscher Autor zu profilieren. Am 11. April 1873 wurde legal aus Simcha Südfeld Max Nordau, am Ende desselben Monats hat er Pest verlassen und ist dorthin nie mehr ohne Widerwillen zurückgekehrt.
Exodus aus dem Judentum
Nordaus Weggang aus Pest ging seine Abwendung vom Judentum als Religion um Jahre voraus. Über diese Abwendung schon in jugendlichem Alter existieren allerdings nur Anekdoten, die über 60 Jahre später von seiner Ehefrau aufgeschrieben wurden. 27 Als brauchbares und verläßliches Zeugnis eigener Hand kann erst ein Brief Nordaus an seine zwei Jahre jüngere Schwester Charlotte Südfeld zu Jom Kippur im Herbst 1867 gelten. Als er, achtzehnjährig, diesen Brief schreibt, ist für ihn der Bruch mit dem Judentum definitiv vollzogen. Er bekennt sich zu Atheismus und Skepsis, mehr noch, er schreibt distanziert von »den Juden« als einer, der nicht mehr dazugehört. Schon zu Pessach im Frühling desselben Jahres hatte er seiner Schwester geschrieben, er esse keine Mazzes mehr, diese »Judenspeise«. 28
Auch das Verhältnis zu seinem alten, fast siebzigjährigen Vater stellt sich in diesem kritischen Brief an die jüngere Schwester, die
27 Anna Nordau, Max Nordau. Erinnerungen, S. 13f. u.ö.; Dokumente aus dieser Zeit, die Anna Nordaus Erzählungen belegen könnten, existieren anscheinend nicht mehr.
28 Brief Nordau - Charlotte Südfeld, 22.4.1867, ZZA A 119/13.