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Psychopathologie des Fin de siècle : der Kulturkritiker, Arzt und Zionist Max Nordau / Christoph Schulte
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Hauslehrer, Journalist, Medizinstudent

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getauscht zwischen »Simi« und »Lotti«, den beiden Geschwistern aus der 1845 geschlossenen zweiten Ehe Gabriel Südfelds mit Ro- salie Nelkin aus Riga. Ein schon als Säugling gestorbener älterer Bruder der beiden aus dieser Ehe, Oser, geboren und gestorben 1847, wird von Nordau und seinen Biographen nicht erwähnt. Desgleichen die vier Halbgeschwister von Simi und Lotti aus der ersten Ehe des Vaters mit einer ungarischen Jüdin. 30 Sie sind nicht wesentlich älter, aber haben zu diesem Zeitpunkt den elterlichen Haushalt schon verlassen, so daß in der »Tabaksgasse N°7, 6. Thüre« 31 , der ärmlichen Wohnung der Südfelds, die nur ein paar Fußminuten die Dohäny-Straße hinauf von der 1859 eröffneten, noch heute existierenden, prunkvollen, in maurischem Stil erbau­ten neuen Pester Haupt-Synagoge entfernt lag, allein die beiden Eltern und die beiden Geschwister wohnen, zeitweilig auch der beste Schulfreund von Simcha, Ignaz »Nazi« Weiss, ein armer Teufel ohne Familie.

Anlaß des Briefwechsels mit seiner Schwester ist die Abwesen­heit Simchas. Für ein volles Jahr ist er Hauslehrer auf einem Gut. Die Sekunda im Evangelischen Gymnasium hatte er abgeschlos­sen und mit der Absicht, die Matura dort als Externer zu machen, das Gymnasium verlassen. Am 4. September 1866 dann hatte »Max Nordau« eine Hauslehrer-Stelle bei der jüdischen Gutsbe­sitzersfamilie Fuchs in Räkos-Keresztur angetreten, einem nur ein paar Kilometer von Pest entfernten Dorf.

Über die Gründe für die Annahme dieser Stelle wissen wir nichts. Ein Brief deutet darauf hin, daß Nordau auf dem Gymna­sium sich unvorsichtig geäußert hatte und es nach einer Notprü­fung verlassen mußte. 32 Vielleicht hatte er sich in den Zeiten des Krieges von 1866 zwischen Preußen und Österreich-Ungarn für

30 Das Ehedatum und die Geschwister erscheinen in dem von Alfred Südfeld gezeichneten Stammbaum der Familie Südfeld, der nach 1930 in Budapest ent­standen sein muß (das Geburtsdatum vop Claudie Gruenblat, Paris, der Enkelin Nordaus, ist dort noch verzeichnet). Eine Abbildung des Stammbaums findet sich in der Sammlung Schwadron der Hebräischen National- und Universitätsbi­bliothek Jerusalem, sowie in Bela Revesz Nordau-Biographie; vgl. Bela Revesz, Max Nordau, Budapest 1942, o.S.

31 Brief Nordau - Charlotte Südfeld v. 3.8.1867, ZZA A119/13.

32 Brief Nordau - Charlotte Südfeld v. 23.12.1866, ZZA A 119/12.