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Psychopathologie des Fin de siècle : der Kulturkritiker, Arzt und Zionist Max Nordau / Christoph Schulte
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Wanderjahre

Weltausstellung lesen will 12 , kehrt er von Pest sehr bald dorthin zurück, erfüllt seinen Vertrag mit dem Fester Lloyd und beendet seine Militärdienstzeit. Er wird für seine Angehörigen sorgen, aber aus der Feme. Er kauft seiner Mutter einen Platz im Pester Tempel, der neuen Synagoge, aber denkt überhaupt nicht daran, am Jom Kippur in Wien zu fasten. 13 Im Oktober kommt noch der deutsche Kaiser Wilhelm I. mit der Kaiserin Augusta nach Wien zur Weltaus­stellung. Danach kann er seine Tätigkeit in Wien beenden. Letzte Berichte an die Schwester:

»Wenn Du bemerkst, daß mir Kaiser Wilhelm nicht sehr ge­fällt, so hast Du schon recht. Er sieht versoffen und dumm aus. Aber Bismarck - das ist ein Mensch, für den man schon schwär­men kann .« 14

Ab dem 1. November ist Nordau frei. Er nimmt Abschied von den Kollegen und deckt sich mit deutschem Geld ein. Auf 4610 Gulden beläuft sich sein Kontostand, als er abfährt. 15 Geld, das er in den vergangenen Jahren mit harter Arbeit parallel zum Studium ange­spart hatte. Von diesem Geld, das er keineswegs ganz aufbrauchen will, müssen die Reise und die daheimgebliebene Mutter und Schwester finanziert werden, denn abgesehen von gelegentlichen Feuilletons wird Nordau auf seiner Reise keine Einnahmen haben. Am Samstag, dem 15. November 1873 abends 16 bricht er zu einer Reise auf, von der er noch nicht weiß, wohin sie ihn führen wird. Etwa zwei Jahre soll sie dauern. Nur die ersten Etappen stehen fest. Deutschland. Berlin.

12 Brief Nordau-Charlotte Südfeld, Wien, 12.9.1873, ZZAA 119/14.

13 Brief Nordau - Charlotte Südfeld, Wien, 30.9.1873, ZZAA 119/14.

14 Brief Nordau - Charlotte Südfeld, Wien, 23.10.1873, ZZA A 119/14.

15 Brief Nordau - Charlotte Südfeld, Madrid, 26.6.1875, ZZA A119 /16.

16 Brief Nordau - Charlotte Südfeld, Darmstadt, 23.11.1873, ZZA A 119/14.