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Psychopathologie des Fin de siècle : der Kulturkritiker, Arzt und Zionist Max Nordau / Christoph Schulte
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Paris unter der dritten Republik

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Paris unter der dritten Republik

Im Herbst 1880 wieder in Paris lebend, arbeitete Nordau zunächst nur noch als Journalist und Schriftsteller, denn die Niederlassung als Arzt setzte den Abschluß einer medizinischen Dissertation in Frankreich voraus. Die ersten sechs Monate quartieren sich Nordau, seine Schwester und Mutter in dem hohen, schmalen Haus 14, Rue de Constantinople ein; dann, nachdem Nordau Kor­respondent der Vossischen Zeitung geworden war, logieren sie weit kommoder in der Rue de Berne No. 37, dort, wo sich diese an der Einmündung der Rue de Moscou zu einem kleinen Platz weitet. Daß die beiden Frauen über Paris dieses Mal begeisterter waren als nach dem ersten Umzug vier Jahre zuvor, wird nicht berichtet. Auch nicht, daß Nordau sie etwa gefragt hätte. Paris ist seine Ent­scheidung. Er wird fortan bis an sein Lebensende fast ununterbro­chen dort leben, auch wenn er während langer Jahre noch von einem Leben in Berlin träumt und Paris wieder verlassen will. Sogar die Wohngegend wird er kaum noch wechseln. Alle seine Wohnun­gen liegen, jeweils nur wenige Straßenzüge und Fußminuten von­einander entfernt, nördlich um den Gare St. Lazare herum, von wo aus die Züge in die von Nordau als Sommerurlaubsort besonders geschätzte Normandie abgehen. In der Wohnung an der Rue de Berne, fast direkt am Bahnhofsgelände an einem kleinen Platz gele­gen, konnte man die Lokomotiven anfahren hören, wenn sie aus dem Bahnhof dampften. 1

1 Alle Häuser, welche Nordau in seinen Pariser Jahrzehnten bewohnte, sind, wie ich mich aus eigener Anschauung überzeugen konnte, bis heute erhalten.