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Dreyfus und die Folgen
die Witwe seines Freundes Richard Kaufmann, dazu bewegt, mit ihren vier Kindern wieder nach Paris zu kommen. In den folgenden Wochen und Monaten entsteht eine Liebesbeziehung zwischen beiden 24 , die am 20. Januar 1898 in eine Ehe zwischen dem bekannten Zionisten Max Nordau und der dänischen Protestantin mündet. Hierauf hat Nordaus alte, orthodoxe Mutter keinen Einfluß mehr, Nordau nimmt auf die Vorbehalte gegen die Heirat mit einer Nichtjüdin und damit die Auflösung eines jüdischen Haushalts durch das Teilen von Tisch und Bett mit einer Nichtjüdin nun keine Rücksicht mehr.
Nordau hatte Anna Kaufmann, geborene Dons (1862- 18.2.1953), seit vielen Jahren als die Ehefrau seines dänischen Freundes Richard Kaufmann gekannt, der wie er selber als Schriftsteller und Ausländskorrespondent in Paris lebte. Die Kaufmanns haben vier Kinder, die Nordau von klein auf kennt und später nach der Heirat mit Anna Kaufmann in seinen Haushalt aufnehmen wird. Der Tod seines Freundes Richard Kaufmann Ende Juli in Kopenhagen war nicht überraschend gekommen, aber hatte Nordau sehr getroffen. Anfang Juli 1894 »verließen Kaufmanns, meine langjährigen dänischen Freunde, Paris, zvol für immer. Der Ärmste ist geistiger Nacht verfallen und dadurch natürlich erwerbsunfähig geworden. Ich bin weder in dem Alter noch in den äußeren Verhältnissen, in denen man leicht neue Freundschaften schließt. Der Verlust eines bewährten Freundes, wie kürzlich der Loewenthals 25 , ist also unersetzlich und darum tief niederdrük- kend.« 26
24 Vgl. Anna Nordau, Max Nordau. Erinnerungen, S. 173 ff. Diese Angaben dürften relativ verläßlich sein, da Anna Nordau als Verfasserin und Herausgeberin dieser Erinnerungen ihres Mannes fungiert.
25 Nordaus Berliner Freund, der Arzt und Bakteriologe Wilhelm Loewenthal (1850-1894), war in Argentinien, wo er das vom Baron de Hirsch finanzierte Kolonisationsprojekt zur Ansiedlung russischer Juden organisierte und leitete, einer Seuche zum Opfer gefallen.
26 Brief Nordau - von Jagow, Paris, 21.7.1894, ZZA A 119/283/157. Es kann also nicht, wie in Max Nordau. Erinnerungen (S. 172), die Rede davon sein, Kaufmann sei nach Kopenhagen in die »Ferien« gefahren. Seine Geisteskrankheit findet übrigens dort gar keine Erwähnung.