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Psychopathologie des Fin de siècle : der Kulturkritiker, Arzt und Zionist Max Nordau / Christoph Schulte
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Die Drohnenschlacht

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fert werden. 94 Tatsächlich erscheint der erste Band noch 1897, der zweite Band dann 1898.

Der Roman Die Drohnenschlacht ist neben dem Drama Die Kugel mit Sicherheit das am stärksten autobiographisch geprägte Werk Nordaus. Zwei Schlüsselerlebnisse seines Lebens werden ganz breit und kaum verschlüsselt geschildert, nämlich der Verlust seiner Ersparnisse bei Börsenspekulationen im Juli 1891, der ihn um den Traum brachte, als Rentier seine Tage in Berlin zu beenden und ihn trotz des europäischen Erfolgs seiner Bücher und ihrer Übersetzung in fast alle wichtigen Kultursprachen zwang, wieder bei Null zu beginnen; und zweitens das Sichverlaufen seiner alten Mutter und die fieberhafte Suche nach ihr im Oktober 1894, eine Episode, welche offenbart hatte, wie pflegebedürftig Nordaus Mut­ter war. Beide Episoden sind geschickt in die Romanhandlung in­tegriert:

Dr. Hugo Koppel, ein durch die Sozialistengesetze Bismarcks nach Paris verschlagener Lehrer, begegnet nach einem Dutzend Jahren dort seinem früheren Kollegen Dr. Henneberg, der vom Ber­liner Mathematiklehrer zum reichen Börsenspekulanten, Baron und zu einer Größe an der Pariser Börse und in der Pariser Gesell­schaft aufgestiegen ist. Man tritt wieder in Kontakt. Henneberg ist vom erzbürgerlichen Familienleben Koppels mit seiner alten Mut­ter, Frau Käthe, Tochter und Sohn nostalgisch gerührt, während Koppel vom Erfolg des Junggesellen Henneberg fasziniert wird, der ihm den Zutritt zu ganz neuen, höheren Gesellschaftsschichten ermöglicht, welche ihm als kleinem, mittellosem Lehrer an einem Lycee mit fast erwachsenen Kindern sonst für immer verschlossen geblieben wären. Koppel beginnt ohne Wissen seiner Familie und sozialen Umwelt, vor allem aber gegen seine ursprünglichen sozial­demokratischen Ideale, insgeheim als Kleinaktionär und Börsen- Neuling seine Ersparnisse und das gesamte Vermögen seiner Frau in einer großangelegten Quecksilber-Spekulation Hennebergs an der Börse zu investieren. Nach anfänglichen Aktiengewinnen, die den Koppels einen ganz neuen Lebensstil ermöglichen, aber sie nicht glücklicher machen, verliert Koppel seine innere Ruhe, seine Selbstachtung und sein Geld, als das Quecksilber-Kartell Henne-

94 Brief Nordau-von Jagow, Paris, 10.11.1897, ZZAA 119/283/282.