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Wien, Paris, Madrid, London, Paris
ner Zeit hat Nordau nur Verachtung. Auch sie verfallen dem Verdikt von Entartung und »Schmiererei«: »Aber wenn es mit der kindischen oder gassenjungenhaften Kleckserei nach dem Muster von Cezanne, Gauguin und Van Gogh nicht mehr gehen wird, wenn diese ruchlosen Schmierer gezwungen sein werden, Neues zu erfinden, dann wird ihre jämmerliche Gedankenarmut, ihre Phantasielosigkeit auch im Unfug offenbar werden .« 21 Mehr als zwanzig Jahre nach Erscheinen von Entartung hat Nordau seine Kriterien nicht verändert. Sie werden nur auf immer neue Künstler und Kunstwerke appliziert. Objektiv und in den Augen des Publikums hat sich die Kunstszene total gewandelt, nur Nordau bleibt der alte. Seine Kritik ist schon bei Niederschrift veraltet, weil er das Neue von vornherein nicht wahrzunehmen vermag. Wenn Treue zu sich selbst eine Qualität ist, dann ist sie die vorherrschende Qualität der meisten seiner Feuilletons gewesen.
Karl Kraus
Es sind die über Jahrzehnte gleichbleibenden, von Veränderung und Lernen unbedrohten ästhetischen Globalurteile Nordaus, die den Ärger und den Spott von Karl Kraus hervorriefen. Dessen Gegnerschaft zu Nordau ist nicht minder scharf wie die zur Neuen Freien Presse insgesamt. Nordaus Feuilletons finden in Kraus’ Fak- kel den mit Abstand härtesten Widerspruch. Und Kraus spart nicht mit Häme, wenn es Nordau, seine Weltanschauung und seinen Zionismus der Lächerlichkeit preiszugeben gilt. Anfang Januar 1901 widmet Kraus in der Fackel dem verhaßten Nordau einen ganzen Artikel: Nordau: Laokoon oder Ueber die Grenzen der Schreiberei und Frechheit. Dort heißt es zu Nordau:
»Gibt es einen Eckstein der Literatur- und Kunstentwicklung, an dem dieser saubere Flerr nicht schon seine kritische Nothdurft verrichtet hätte? (...) Und die bourgeoise Welt, die in Entsetzen geräth, wenn einer es wagt, aufgestelzte Modegrößen zu verklei-
21 NFP v. 7.10.1908