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Wien, Paris, Madrid, London, Paris
instand setzte und mit der bis heute dort stehenden Heine-Büste des dänischen Bildhauers Hasselriis schmückte. Anläßlich der Enthüllung der Büste auf dem Friedhof Montmartre am 24.11.1901, zu der Nordau eine Festansprache hielt, welche die Neue Freie Presse in der Woche darauf abdruckte, vermerkt Kraus nur: »Wahrhaftig erhoben fühlten sich alle durch die Rede, in der der Begründer der Bank von Zion den deutschen Dichter verherrlichte. >Lyrische Gedichte sind in der Regel kein Ausfuhrartikel, meinte Herr Nordau .« 25
Zum Dreyfus-Revisionsverfahren fällt Kraus nicht mehr ein, als von den für Dreyfus agierenden und agitierenden Zionisten als den »Moltkes der Revisionsbewegung, den Südfeld & Co« zu schreiben und in einer Anmerkung zum Namen Südfeld zu erklären: »Hier ist Herr Nordau gemeint, der als zionistischer, jedwede Assimilation verdammender Parteiführer seinen angestammten Namen verleugnet und in einer spielerischen Laune fast ins Ge- gentheil umgewandelt hat.«
Zum antizionistischen Ressentiment kommt hier die persönliche Verunglimpfung durch Aufhebung von Nordaus Pseudonym und das Anprangern seiner früheren Assimiliertheit. Um Nordau zu bekämpfen, scheut Kraus auch vor dem Gebrauch antisemitischer Klischees nicht zurück: Die Namensänderung steht für jüdische Selbstverleugnung, Überangepaßtheit und Charakterschwäche. Und Zionisten wie Nordau sind auch nur jüdische Bankiers. Wie Nordau selber z. B. in Hinblick auf Zola, ist auch Kraus mit dem Gebrauch der Fäkalsprache gegen Nordau nicht zimperlich. Auf einen groben Klotz gehört ein grober Keil, scheint hier die Devise zu sein.
»Herr Max Nordau ist wieder einem Eckstein der Kultur begegnet. Gewohnheitsmäßig hob er das Hinterbein und besprengte ihn mit dem unedlen Naß eines Feuilletons in der >Neuen Freien Presse<. Diesmal ist’s Flaubert. Während die >Neue Freie Presse< bei jeder Gelegenheit mit ihren Beziehungen zur französischen Intelligenz protzt (...), sitzt Herr Nordau seit langen fahren in Paris und mißbraucht die französische Gastfreundschaft, um bei jeder Gelegenheit die erlauchtesten Dichter und Künstler Frank-
25 Die fackel, Nr. 87 (1901), S. 20f.