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Karl Kraus
Enthüllung der Heine-Büste auf dem Friedhof Montmartre, 24.11.1901
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reichs in den Kot seiner geistigen Verdauung zu zerren. Wenn der Gedenktag eines Großen gefeiert wird, wenn ein von aller Welt mit Spannung erwartetes Buch oder ein Werk der bildenden Kunst der Öffentlichkeit übergeben wird, jedesmal verspritzt Herr Nordau in der >Neuen Freien Presse< seinen Geifer. (...) Herr Nordau macht sich’s leichter. Er ringt nicht tagelang in Qualen mit sich, um eine vornehme Erscheinung zu bespucken. Er voll- bringt’s ohne jede Hemmung, ganz automatisch. Er betet nicht den Dämon des Stils an und erficht keine Wortsiege. In der kürzesten Arbeitszeit füllt er viele Feuilletonspalten mit dünnflüssiger fauche... Besonders stolz scheint Herr Nordau auf die blitzdummen politischen Rückblicke zu sein, in denen er an jedem Neujahrstage das vergangene fahr in der >Neuen Freien Presse< mit der Weltgeschichte verkuppelt.« 26
26 Die Fackel, Nr. 200 (April 1906), S. 14f.