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Psychopathologie des Fin de siècle : der Kulturkritiker, Arzt und Zionist Max Nordau / Christoph Schulte
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336 Wien, Paris, Madrid, London, Paris

genüber im kleinen Kreis auch anmeldete. Von Herzl gebeten, plä­dierte er dann tags darauf aber doch in seiner Kongreßrede gegen die eigene Überzeugung für eine vorläufige Ansiedlung in Uganda. Berühmt wurde sein Wort von Uganda als dem »Nachtasyl« der Zionisten bis zu einer endgültigen Ansiedlung in Palästina. 33

Die Reaktion der Delegierten war vernichtend, obwohl der Vor­schlag für eine Ansiedlung in Uganda tatsächlich erst zwei Jahre später auf dem VII. Zionistenkongreß in Basel Ende Juli 1905 unter lauten Protesten verworfen wurde; woraufhin Zangwill die zioni­stische Bewegung verließ. 34 Aber schon 1903 war deutlich: Zion liegt nicht in Uganda. Nordau wurde, wie er selbst fühlte, durch sein Plädoyer zum meistgehaßten Mann des Kongresses, 35 der Bruch mit den >Russen< in der zionistischen Bewegung war endgültig. Ob­wohl Herzl sich als der Führer der zionistischen Bewegung halten konnte, hatte der politische Zionismus Vertrauen verspielt.

Wenige Wochen nach dem Baseler Kongreß verläßt Nordau in Paris gerade eine zionistische Feier, als der russische Zionist Louban mit dem Revolver auf ihn anlegt: Der Befürworter des Uganda-Projekts soll für sein Plädoyer büßen. Alexander Marmo- rek, der Nordau begleitet, schlägt den Revolver beiseite, ein Schuß löst sich, ein russischer Student wird am Bein getroffen. Nordau überlebt unverletzt. Es ist das erste Mal, daß ein Zionist auf einen Zionisten schießt; beileibe nicht das letzte Mal. Nordau nimmt die Sache gelassen, aber er erhält über 600 freundschaftliche, aufmun- temde Briefe und Depeschen aus allen Himmelsrichtungen, selbst von innerzionistischen Gegnern. 36 Die zionistische Bewegung, Herzl an der Spitze, ist sich der Bedeutung dieses gefährlichen Mo­ments bewußt. Der Zionismus ist auch von innen bedroht. Als Louban dann der Prozeß gemacht wird, hat Nordau im Gerichts­saal Verständnis für ihn geäußert und die Sache als Dummejungen- Geschichte heruntergespielt. 37

33 Max Nordau, Zionistische Schriften, Bd. I, S. 174.

34 Walter Laqueur, A History of Zionism, New York 1972, S. 137.

35 Anna Nordau, Max Nordau. Erinnerungen, S. 230f.

36 Brief Nordau - Max Mandelstamm, Paris, 29.12.1903, ZZA A 3/8/lla

37 So Maxa Nordau-Gruenblat in einem Interview der israelischen Tageszei­tung Davarv. 20.5.1980. Vgl. Anna Nordau, Max Nordau. Erinnerungen, S.231 f-