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Psychopathologie des Fin de siècle : der Kulturkritiker, Arzt und Zionist Max Nordau / Christoph Schulte
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Cesare Lombroso

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Diskussion um Deutsch als Unterrichtssprache an der ersten jüdi­schen Hochschule in Palästina bestätigt sah.

Hier ergreift Nordau noch einmal die Initiative. Er kennt den französischen Außenminister Pichon persönlich und erreicht, daß er am 6. Dezember 1913 am Quai dOrsay zu einem Gesprächster­min geladen wird. 58 Einen Gesprächstermin erlangt zu haben ist ein Erfolg Nordaus, aber das Gespräch selbst hat einen Fehler: Wie Nordau in seinem Gesprächsbericht an das Aktionskomitee in Berlin vermerkt, ist Pichon zum Zeitpunkt des Gesprächs als Außenminister gerade entlassen worden, das Gesprächsprotokoll wird für seinen noch nicht benannten Nachfolger zu den Akten genommen.

Nordau versucht die Bedenken der französischen Regierung zu zerstreuen. Zunächst protestiert er gegen die französische Unter­stellung, die Zionisten seien Agenten Deutschlands, bloß weil die Unterrichtssprache am Technion dort Deutsch sein solle. Die erste europäische Fremdsprache an den jüdischen Schulen in Palästina werde sicherlich Französisch sein. Im übrigen wird die Neutralität des Zionismus in den Angelegenheiten der europäischen Außen­politik beteuert. Man trennte sich mit den gegenseitigen Versiche­rungen der größten Hochachtung. 59 Nordaus Haltung zur Wahl der Schulsprache wird aus einem Schreiben Nahum Sokolows vom 14. Januar 1914 deutlich: Entgegen allen Erwartungen votiert Nordau für Hebräisch und gegen Deutsch! 60

Seine Haltung zu den außenpolitischen Spannungen zwischen den europäischen Großmächten manifestiert sich am deutlichsten

58 Die schriftliche Einladung durch den Chef de cabinet Pichons liegt den Unterlagen und dem schriftlichen Gesprächsbericht Nordaus an das Aktionsko­mitee in Berlin bei und ist erhalten; ZZA Z 3/ 1013/Blb8.

59 Eine fast vollständige Abschrift des noch am gleichen Tage aufgezeichne­ten Gesprächsberichtes findet sich in: Anna Nordau, Max Nordau. Erinnerun­gen, S. 248-251. Anna Nordau hatte sich, offensichtlich in der Absicht, die Erin­nerung en zu schreiben, mit Brief vom 14.3.1924 an das Archiv der Zionistischen Bewegung gewandt und eine Abschrift des Gesprächsberichts erhalten. Wie groß ihr Interesse war, die Rolle Nordaus hochzuspielen, zeigt ihr Schreiben vom 2.4.1924, in dem sie behauptet, das Treffen mit Pichon sei der Ursprung der Balfour Declaration gewesen; s. ZZA Z 3/1013/Blb8.

60 ZZA Z 3 /1013 / Blb8.