Wien, Paris, Madrid, London, Paris
350
Schon Ende September sind sie ebenfalls in Madrid. Nordau lernt den noch jungen Abraham Schalom Yahuda kennen, gerade berufener Professor für Hebräisch und Rabbinica an der Universität Madrid, aber auch die Schriftsteller Hoyos und Espina, den Gitarristen Andres Segovia und den Maler Lopez Mezquita, bei dem Maxa Malunterricht nimmt. Das alles wird dadurch erleichtert, daß Nordau gut Spanisch spricht und schreibt. 63
Aufgrund seiner Beziehungen ist es für Nordau leichter, wieder Arbeit zu finden. Das war nötig, denn er hatte fast sein gesamtes Vermögen in einer Bank in Paris deponiert und hatte von Madrid keinen Zugriff auf sein Geld; dieses Geld und seine Wertpapiere wurden im Krieg unter bis heute nicht geklärten Umständen von französischen Behörden konfisziert und auch nach dem Krieg trotz aller Interventionen Nordaus und seiner Freunde niemals zurückerstattet. Er fing wieder einmal von Null an. Überdies wurde Nordaus Hinterhaus in der Rue Henner, das er ja nicht aufgegeben hatte und wo sich seine und seiner Familie Möbel, Bücher und andere Habseligkeiten befanden, von der Polizei durchsucht. Noch im Jahr 1914 läuft in der französischen Presse eine Kampagne gegen ihn an: Seine Feinde nehmen am Antiklerikalen, Dreyfusard, Zionisten und Verfasser von Entartung Rache. 64 Er hatte recht gehabt, sich als unerwünschten Ausländer zu fühlen und nach Spanien zu gehen.
Nun schreibt er von Madrid aus weiter für die Neue Freie Presse, für La nacion und andere Zeitungen in Italien und Nordamerika. Aber die Einkünfte fließen unregelmäßig, denn die regelmäßigen Bezüge als Korrespondent aus Paris fehlen. Dennoch hält Nordau schon bald wieder Vorträge und beginnt auch wieder, Bücher zu schreiben. Oder zumindest, wie schon in früheren Jahren, ältere Texte in neuer Gewandung herauszugeben, um sein Einkommen aufzubessem.
Schon 1915 erscheint in Berlin ein Essay-Bändchen mit dem Titel Menschen und Menschliches von heute, eines der unverkrampfte-
63 Zu diesen Umständen von Nordaus spanischem Exil 1914 vgl. Jose Antonio Lisbona, Retomo a Sefarad, Barcelona 1993, S. 35(. (Den Hinweis auf dieses Buch verdanke ich Bernd Rother.)
64 Anna Nordau, Max Nordau. Erinnerungen, S. 278f.