Bret-Harte-Kenntnissen: Julius Rodenbergs Monatsschrift Salon für Literatur, Kunst und Gesellschaft. Dort erschienen 1873 in rascher Folge „Miggles. Aus den Erzählungen der Argonauten“ (Band 1, März 1873, Heft 6, S. 667—675), „Das Glück von Roaring Camp“ (Band 2, April 1873, Heft 1, S. 862—870), „Die Ausgestoßenen von Poker Flat“ (Band 2, Mai 1873, Heft 2, S. 945-953), „Die Idylle von Red Gulch“ (Band 2, Juni 1873, Heft 3, S. 1082—1089), „Brown von Calaveras“ (Band 2, Juli 1873, Heft 4, S. 1183—1191), „Hochwasser-Zeichen“ (Band 2, August 1873, Heft 5, S. 1326—1332) und „Tennessees Partner“ (Band 2, September 1873, Heft 6, S. 1454—1461), alle übersetzt von Sophie Verena auf Grund der tauch- nitzschen Ausgabe. Diese zehn Kurzgeschichten, sieben aus dem Salon und drei direkt aus der Tauchnitzausgabe, sind es, mit denen sich Fontanes Bret-Harte-Entwurf befaßt. Er verweist sogar zweimal auf Seitenzahlen des Salons. Eine im Juli des nächsten Jahres im Salon erschienene längere Erzählung Hartes, von Udo Brachvogel übersetzt, „Die Dichterin von Fiddletown“ (Jahrgang 7, Band 2, Heft 4, S. 1153—1200) erwähnt Fontane nicht.
IV
Im Fontane-Archiv der Deutschen Staatsbibliothek in Potsdam befindet sich ein unveröffentlichtes Notizbuch (Archivnummer E 3) Fontanes, in das mich Joachim Schobeß, Leiter des Archivs, Einsicht nehmen ließ. Es ist ein undatiertes schwarzes Heftchen. Auf der Innenseite befinden sich eine Anzahl von Etiketten, alle in Friedrich Fontanes Hand, mit folgenden Aufschriften: „Vorarbeiten zu Vor dem Sturm“, „Theaterkritik(Jungfrau) ', „Bilder (Kunstausst.)“, und „Allerlei Projekte (Märkische Geschichten — Romanfiguren)“, mit Tinte geschrieben. Alle diese Projekte deuten auf die Zeit um 1873 1874. Auf Seite 46 des Notizbuches finden wir. von Theodor Fontane geschrieben:
„Kritische Wanderungen in Ost und West.
W. Alexis. Scherenberg. J. Minding. G. Hesekiel. Turgeniew. Gogol. Tolstoj. Björnsen (sic). Andersen. Thomas Moor (sic). Th. Hood. Bret Harte“ 17 Auf den ersten Blick sieht diese bunte Reihe ziemlich zusammengewürfelt aus. Auf den zweiten und dritten illustriert sie gewisse Zusammenhänge oder gibt jedenfalls Datierungshinweise. Manche Namen deuten nach rückwärts, andere vorwärts. Es soll dargelegt werden, daß diese trockene Aufzählung einen Rückblick und einen Vorblick darstellt und daß Bret Harte als Symptom in eine weit größere Evolution gehört. Wir bitten den Leser, Geduld zu haben, bis sich konservative und progressive Tendenzen immer klarer abzeichnen.
Alexis war am 16. Dezember 1871 verschieden, er galt als der deutsche W alter Scott, Meister der Ballade und des historischen Romans, an dem Fontane gerade selbst arbeitete (Vor dem Sturm, 1878 gedruckt). 1873 war im Salon Fontanes Würdigung, „Willibald Alexis“, erschienen (10. Jahrgang, Heft 10—12), Fontane arbeitete aber an einer Revision (Erweiterungen, Kürzungen), die zu seinen Lebzeiten nicht mehr erschien: Reuter hat sie erstmals veröffentlicht in dem von ihm herausgegebenen Theodor
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