Fontane, Schriften zur Literatur, Berlin, Aufbau, 1960, S. 26—28. Reuters Ausgaben der Schriften und Aufzeichnungen verdanke ich auch im folgenden Hinweise, die bei der Erfassung und Interpretation der Notizbucheintragung ungemein wertvoll waren.
Christian Friedrich Scherenberg (1798—1881) und George Hesekiel (1819 —1874) gehörten seit der gemeinsamen Tunnelzeit zum engeren Freundes- Kreis Fontanes. Scherenberg war durch seine Balladen und Epen bekannt; ihm und seiner zurückliegenden Glanzzeit widmete Fontane sein Buch: Christian Friedrich Scherenberg und das literarische Berlin von 1840 bis 1860 (1884). Hesekiel, Verfasser von historischen Romanen und Gedichten, Redakteur der Neuen Preußischen (Kreuz)-Zeitung, der am 26. Februar des Jahres, aus dem höchstwahrscheinlich Fontanes Eintragung stammt, gestorben war (vermutlich war es Fontanes Absicht, dem verstorbenen Freund die letzte literarische Ehre zu erweisen), gehörte der erzkonservativen preußischen Richtung an. Julius Mindig, 1809 geboren, bereits 1850 in Neuyork (!) verstorben, historischer Dichter, wurde von Fontane noch im Mai 1898 zu den besten Talenten der „Berliner Dichterschule*' gezählt; 18 sein Trauerspiel Papst Sixtus V. war 1870 von Klemens Raimer und August Becker neu herausgegeben worden.
Diese ersten vier Namen gehören alle der preußisch-historischen Phase Fontanes an, die mit Vor dem Sturm (1878) und Schach von Wuthenow (1883) ein Ende nehmen sollte. In die Rubrik „Ost“ oder „West“ passen sie nicht recht.
Die zweite Kategorie dagegen, die russische: Turgeniew, Gogol, Tolstoi, stellt eine ausgezeichnete Vertretung des östlichen Kontinents und eine Verbindung zwischen Vergangenheit und Zukunft dar. Durch Wilhelm Wolfsohn, aus Odessa gebürtig, Fontanes Freund aus der Leipziger „Her- weghklub“-Zeit (1841 42), aber mit ihm bis in die 1860er Jahre verbunden, war Fontane schon sehr früh in die russische Literatur eingeweiht worden: sie „ließ [ihn] nicht wieder los“ und noch in seinem Todesjahr bekennt er mit Genugtuung: „Ein guter Teil von dem, was mir Wolfsohn damals vortrug, ist sitzengeblieben.“ 19 Fontane hat sich immer wieder für außerdeutsches Neuland interessiert; es ist kein Zufall, daß er Turgeniews Neuland (1877) rezensiert hat. 20 Fontanes Briefe enthalten tiefschürfende Beobachtungen über Turgeniews Werke; 21 er bezeichnete ihn, wenn auch nicht kritiklos, als seinen Meister, 22 mehrere seiner Freunde waren auch Freunde und Korrespondenten Turgeniews, so daß ein zusammenhängender Essay über ihn eine natürliche Konsequenz gewesen wäre. Fontane ist zu ihm nicht gekommen.
An der gerade erwähnten Stelle in Zwanzig bis Dreißig hebt Fontane sein frühes Interesse für Lermontow, Pawlow und Gogol hervor: 1850 nennt er Gogol unter mehreren anderen russischen Schriftstellern, über die er im Feuilleton der Zeitung Deutsche Reform einen kleinen Bericht schreiben möchte. 23 Am 23. April 1854 hört er dem Vortrag des Lustspiels Der Revisor von Gogol im Tunnel, durch den Übersetzer August von Viedert, zu, mit dem Fontane befreundet war. 2 ' 1 Viedert hat auch Turgeniew übersetzt (1854). Zwischen den 1850er Jahren und dem Rückblick auf sie in Von
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