Zwanzig bis Dreißig, vierzig Jahre später, finde ich keine Erwähnung Gogols außer in dem hier mitgeteilten und kommentierten Schema. 2/ ' a Tolstois Platz in Fontanes Plan der „Kritischen Wanderungen“ kommt als eine Überraschung. Reuters Feststellung, Fontane habe die großen Romane Tolstois nicht gekannt, schien 1960 zu Recht zu bestehen: 25 alles, was wir gedruckt hatten und haben, ist Fontanes Rezension des Dramas Die Macht der Finsternis (Aufführung in der Freien Bühne vom 26. Januar 1890) und Beiläufiges dazu, eine sehr allgemeine Bemerkung, daß er „Zola, Turgenjew, Tolstoi, Ibsen gelesen habe“ (in einer Theaterkritik von Richard Voß’ Brigitta vom 1. Oktober 1889), 28 und die Empfehlung des Todes des Iwan Iljitsch 27 als eines „Meisterstückes“ in einer Liste von 71 Autoren („Was soll ich lesen?“ 1894). 28 Die Erwähnung Tolstois im Schema der „Kritischen Wanderungen“ um 1874 herum scheint eine Revidierung der Ansicht Reuters notwendig zu machen. 29
Reuter hat auf eine andere Verbindung zwischen russischer Literatur und dem Abfassungszeitpunkt des „Bret-Harte-Manuskriptes“ hingewiesen, 30 d. h. einen tatsächlichen im Bret-Harte-Entwurf skizzierten Konnex zwischen dem Notizbuchschema russische Literatur 1 und ,Bret Harte': den auffallenden Passus auf Blatt 8 des Manuskriptes, in dem Fontane die Entfaltung der amerikanischen Literatur (hier Bret Harte) mit der russischen Literatur vergleicht und beider Verhältnis zur europäischen Literatur (der deutschen, englischen und französischen). 31 In diesem Zusammenhang nennt Fontane die russische Literatur „ungründerhaft“, was, wie Reuter konstatiert, auf den „Gründerkrach“ des Jahres 1873 hinweist. 32
Gründerzeit und Gründerkrach hatten in den feinfühligen unter den deutschen Schriftstellern, von Fontane und Raabe bis zu Nietzsche, ein von Unbehagen zu Ekel reichendes Ressentiment hervorgerufen, dem das Urwüchsig-Unverdorbene der russischen, skandinavischen und amerikanischen Literatur entgegenkam.
Den gehaltvollen Befunden Reuters und Schultzes fügen wir einen weiteren schlüssigen Indizienbeweis für die Verbindung zwischen russischer und amerikanischer Literatur im allgemeinen, Turgeniew und Bret Harte im besonderen hinzu: die Besprechung der Californischen Novellen von Bret Harte durch Ludwig Pietsch in der Vossischen Zeitung Nr. 301 vom 24. Dezember 1873, die Fontane zweifellos gelesen hat. In dieser äußerst positiven Rezension, die wir wegen ihrer Wichtigkeit hier reproduzieren, kommt Pietsch zum Resultat ,daß Turgeniew der Schriftsteller ist, welcher der Kunst Bret Hartes am nähesten kommt.
Califomische Novellen. Von Bret Harte. Uebersetzt von Hertzberg. Leipzig. Quandt und Händel. Das kleine zierliche Bändchen enthält in unvergleichlich gelungener Uebersetzung, als die zweibändige große deutsche Ausgabe, eine allerdings nur gar zu kleine und wenig umfassende Auswahl aus der Gesammtheit der berühmten „Argonautenfahrten, Spanischen Sagen und Stadtgeschichten“ des amerikanischen Poeten, der sich so schnell die Geister und Herzen diesseits wie jenseits des großen Wassers zu erobern gewußt hat. Das immer und überall wiederholte Urtheil, welches in seiner originellen
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