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Sonderheft 1, Zeitbilder: Zwei Fragmente von Theodor Fontane "Sidonie von Borcke" und "Storch von Adebar"
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mes predigen zu können. Hosenteufel; freilich. Es hat was damit. Aber ... 41 ich will didi nicht rot machen. Kannst noch rot werden? Das ist hübsch. Alles zu seiner Zeit. Aber das Leben wird es dir abgewöhnen. Sieh, Thilde, wenn man grundschlecht ist, ist man immer noch besser als die andern. Glaub mirs. Ich war bei Hofe. Und da sieht man alles doppelt 42 , weil sich alles offner gibt. Sie sagen der Hof sei verschwiegen. Dummes Zeug. Frech ist man bei Hofe, keiner hat Scheu oder Lust zum verbergen, schon weil er weiß, daß es ihm nicht hilft. Rekurrieren auf den französ. Hof, auf Katharina v. Medici, auf Maria Stuart, auf Königin Elisabeth, auf Anna Bulen, auf Ebbe Brah und Christine Munk und die ver­schiedenen andern Geliebten jener Epoche, auch auf die Anna Sydow.«

All dies ist Inhalt für verschiedene Gespräche. Zunächst nimmt sic sich ein Mädchen, die vorher bei einer andern Konventualin gedient hatte, eine wunderhübsche blonde Wendin, die wegen eines Kinds, das sie kriegte, den Klosterdicnst verlassen mußte. Das war nun ein zwei Jahr und das Kind ebenso alt. Für dies Mädchen und dies Kind interessiert sich Sidonie 43 ; das Kind spielt immer um sie her. Dazu ein Riesenkater. Und eine Hecke wei­ßer Mäuser. Zugleich läßt sie ein Storchennest künstlich auf dem Giebeldach anlegen. »Der mystische Vogel« bringt Glück, ohne den gehts nicht. Bei bestimmter Gelegenheit sagt sie dem Mädchen: »Hanne, ich bin nicht die alte Stojentin; mach was du willst; cs findet sich schon.« Sie küßte der Priorin die Hand.

Sie richtet sich nun also ein und gründet eine Regierungspartei, wobei sie sehr geschickt operiert: sie nimmt die Anrüchigen, die Schwachen, aber auch die Starken und Hochmüti­gen, sobald sie sich ihr nur unterwerfen, oder solche, die voll Haß gegen auch ihre Feinde sind. So bildet sie einen Rat der fünf: eine Starke und Hochmütige, die mit ihr ging, eine Haß-tolle, eine Liederliche (ihr Johannes) und eine Schwache, Imbezile, Schwatzhafte. Jede war ihr gleich nützlich. Ihre eigentliche Vertraute wird aber sogleich die schöne blonde Wendin, ein Typus feiner Sinnlichkeit, aber eigentlich innerlich lauter, gütig, cdelherzig und immer in einer tiefen inneren Auflehnung gegen die Priorin.

Mit dieser hat sie denn auch bald ein Gespräch: »Habt ihr nich Mannslüd hier? Man kann sich doch nicht immer die dicke Schwerin ansehn und der alten Glasenappen (andre seltenre Namen) ihre Adlernase.« Es werden nun aus der nächsten Stadt und auch aus Stettin Manns-Elemente herangezogen. Diese 44 geschickt wählen. Zudem aber fängt sie [an] sich für David Lüdicke, den Klostergeistlichen einen Mann von Mitte 40 zu interessieren. Sie wußte, daß er ein Liebesverhältnis zu Anne Mellenthin unterhielt oder etwas was dem ähnlich sah. Auf diesen richtet sie ihren Blick. Aber das kommt erst später. Vorher, weil sie sich den Fuß verknickt hat, macht sie die Bekanntschaft der alten Wolde. Die gefällt ihr und sie nimmt sie als Jätefrau in den Garten. Diese doktort nun an ihr herum. Es han­delt sich alles darum sie bei Frische zu unterhalten.

*

Es muß also so verlaufen

1. Sie engagiert die blonde Wendin.

2. Sie gründet ihren Hofstaat.

3. Sie feiert halbe Bachanale mit den 4 Damen ihres Hofstaats. Hier ist sie gesprächig und erzählt von alten Zeiten und Fahrten und Triumphen und Liebschaften. Und mokiert sich über den »Hof« und spricht ihm das Leben ab.

4. Sie verknickt sich den Fuß und die alte Wolde wird Jätefrau. Und nun neben der Blondine Geheime- Berater.

i. Sie will »Mannsvolk« haben. Findet auch dergleichen. Wirft ihren Blick auf David Lüdicke. Tut irgend etwas ganz Tolles.

41 Gestrichen: das sitzt wo anders.

42 Aus: offen

43 Aus: die Alte

44 Gestrichen: vorsich[tig]