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Sonderheft 1, Zeitbilder: Zwei Fragmente von Theodor Fontane "Sidonie von Borcke" und "Storch von Adebar"
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6. Darauf bricht ein furchtbares Gewitter aus. Ihre Todesangst. Sie stürzt im Unwetter in die Kirche. Sie beichtet und betet, nachdem sie schon zu Hause sich hat vorlescn lassen. »Nein, das hilft nicht, das ist zu sdiwach« und die Wendin muß einen besseren Spruch suchen.

7. Das Gewitter ist vorüber; sie erholt sich wieder. Es muß so sein, daß sie im September ankommt, wos keine Gewitter mehr gibt und daß diese Szene im nächsten Juni spielt. Die ganze Szene hat deutlich ihre Mischung einerseits von Unglauben mit Beisatz von Aber­glauben gezeigt und nun das sich Anklammern an den überlieferten Glauben aber doch auch fast in abergläubischer Form.

8. Das alte Leben wird wieder aufgenommen. David Lüdiße läßt sie abrallen und ver­weigert ihr das Abendmahl.

9. Ihre Neigung zu ihm verwandelt sich in Haß; sie schiebt es auf eine andre Neigung (zu Anna Stettin) und beschloß beide zu verderben. Auch der alte Pförtner muß dran glau­ben. Die »alte Wolde« tritt immer mehr in den Vordergrund; die 4 Damen ziehen sich zu­rück, sie hat nur noch die Wendin, die Wolde und ein verwegenes Individuum aus der Stadt. Mit diesen macht sie Pläne. Sie wird immer verwegener, drohender. »Ich fürchte mich nicht. Un de Hertog? Ick kenn se, se sinn for nix.«

10. Christian Lüdicke der Generalfiskal beim Begräbnis seines Bruders David. Die Non­nen drängen sich an ihn. Gegenverschwörung.

11. Sidonic noch einmal auf ihrer Höhe. Hier muß sichs überschlagen.

12. Ihre Verhaftung.

13. Ihr Aufenthalt im Gefängnis.

14. Die prozessualen Fragen zusammengestellt aus den Aussagen der alten Wolde. Die große Vernichtsverhandlung. Sie ist immer noch groß und stattlich. Sie fühlte, worauf es hinaus wollte. Das gab ihr alle Kraft wieder, auch Würde, alles was Hohes und Großes u. Ungewöhnliches in ihr gelegen hatte, kam heraus, alles Sündige, Gemeine war von ihr ab­gefallen. Sie war eine Greisin, die für ihr Leben sprach. Sie sprach nun wundervoll, mit natürlicher Beredsamkeit (schon vorher, ganz zu Anfang hervorheben, daß sie gar nichts gelernt hatte, aber sehr klug war, sehr apart, esprit fort und eine glänzende natürliche Gabe der Beredsamkeit, die sich zum geistvollen Reparti steigerte) und gibt sich, ihren Wandel und selbst ihren Glauben preis, sie gibt auch zu mit diesen Dingen gespielt zu haben, aber sie lehnt sich gegen den Unsinn auf, sic habe nicht gezaubert und gehext, sie habe manches Dumme bloß Mummenschanzes und Versuchs halber mitgemacht, wie man etwas probiert, woran man nicht glaubt. Nun die Konfrontierungen: die halb-blödsinnig gewordene alte Wolde bleibt bei ihren schweren Aussagen, die Wendin stürzt ihr zu Füßen und küßt ihr die Hände und weint und beschwört die Richter an ihre Unschuld zu glauben; sie sei wohl nicht gewesen wie eine Konventualin sein solle, züchtig und ehrsam, und das Böse habe wohl Gewalt über sie gehabt, aber sie habe sich mit dem Bösen nicht eingelassen und nicht Buhlschaft mit ihm getrieben.

15. Der Spruch wird nicht gefällt. Sie wird ins Gefängnis zurückgebracht. Liest Bibel. Klärung ihres Gemüts. Sic hört, daß sie sterben muß.

16. Die Wendin wird noch zu ihr gelassen. Langes Gespräch mit ihr. Schon vorher »Gottes Mühlen mahlen langsam etc« Jetzt erinnert sie sich daran. »Lang hat er geübet Geduld, Geduld. Unschuldig sterb ich und doch in Schuld.« Vorher kommt ein Maler in ihr Gefäng­nis. Er macht eine Skizze von ihr, vielleicht während sie schläft. Dann ihre Hinrichtung. Verbrennung ist besser als Enthauptung. Ein Rabe steigt aus den Flammen auf, keine Taube. Der Maler reiste nach Marienfließ und malte ihr Bild auf die Rückseite des ersten. Inschrift dazu. Vielleicht malt ers für die Wendin, oder für den Herzog. Dies muß moti­viert werden. Am besten, es muß derselbe Herzog sein, der ihr den Hof gemacht hatte,