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Sonderheft 1, Zeitbilder: Zwei Fragmente von Theodor Fontane "Sidonie von Borcke" und "Storch von Adebar"
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unser Jubilar, auf .Er hielt sich früh zu Marheineke und Schleiermacher, zu letzterem ganz besonders, und in dessen Ideen ist Vater geblieben. Wissenschaftlich durchgebildet, hatte der junge Vater im Gegensatz zu seinem gelehrten Vater die Gabe der Rede in hohem Maße, und vorzüglich verstand er es, seinen Predigten eine ästhetische Form zu geben. Vater hatte eine festgeschlossene, treu zu ihm haltende Gemeinde, daneben zahl­reiche Zuhörer aus der ganzen Stadt. Mit unsern besten und ersten Gelehrten stand er in freundschaftlichem Verkehr und selten versäumte Treridelenburg eine Vatersche Predigt, oft war Boeckh im Vaterschen Hause. Worin lag das Geheimnis der pastoralen Erfolge Vaters? Nicht zumeist in dem durchdachten Vortrag, nicht in dessen schöner, keuscher Form, sondern vielmehr in der Richtung und in der ganzen Persönlichkeit des hochverehr­ten Mannes. Er predigte nicht den vulgären, aber den vergeistigten Rationalismus; ihm stand nicht voran das Dogma, sondern das Bedürfnis des Gemüts; nicht geistlicher Eifer, sondern freundliches Entgegenkommen war der Grundton seines Denkens und Handelns. Mit Vater scheidet aus dem Kreise der Berliner Geistlichen der älteste und beste Reprä­sentant der Schlciermachcrschen Schule; in ihm verlieren wir einen Mitgenossen der geisti­gen Bewegung, die in den dreißiger und vierziger Jahren ein ideales Aufstreben bewirkte, wie es seitdem auf dem Gebiet der Philosophie und Theologie nicht wieder hervorgetreten ist. Vater blieb in allen Stürmen der Zeit der feinfühlige Interpret des christlichen Gedan­kens, der materialistischen Negation gerade so entfernt, wie dem rechtgläubigen Unge­stüm. Das Ausruhen von der Arbeit nach langem, mühevollen, immer freudigen Schaffen ist ihm jetzt Bedürfnis, und die Ruhe ist eine wohlverdiente.

Aus Königs Kalakauas Reiche Von A. v. R.

Die Anwesenheit des Königs der Sandwichs-Inseln in Europa ruft Erinnerungen aus mei­nem bewegten Leben zurück, die sich mir um so farbenreicher aufdrängen, je angenehmer mir der Aufenthalt in dem kleinen Königreich Kalakauas, das ich zu verschiedenen Zeiten, zum letzten Male im Jahre 1867, besucht, immer gewesen ist. Über Hawaii ist schon man­ches gesagt und geschrieben worden. Aber soweit ich auch die illustrierten Blätter durch­gehe, in denen ich ab und zu Nachrichten über dies Inselreich gefunden, so bemerke ich immer nur äußerliche Zusammenstellungen, die mich nur oberflächlich in Verbindung mit dem Bilde, welches ich in meinem Gedächtnis mitgebracht. Wenn ich daher in nachstehen­den Zeilen das wiedergebe, was ich dort gesehen, gefühlt und erlebt, so möge das Nieder­geschriebene als eine vielleicht manchem willkommene, lebensvolle Ergänzung des Be­kannten betrachtet werden.

Sooft ich auf meinen Reisen mich der Insel Oohu näherte, machte das landschaftliche Bild, welches sich mir bot, den anmutigsten Eindruck. Schon von ferne ist der Diamandhead, ein vulkanisches Vorgebirge im Osten der Insel, welches umsegelt werden muß, um in den Hafen zu kommen, sichtbar. Sowie dasselbe umschifft ist, bietet sich ein prächtiger An­blick, indem die Stadt Honolulu, nach dem Gestade zu terrassenförmig sich herabziehend, langsam hervortritt, deren Häuser von Palmen, Bananen und immer grünen Sträuchern beschattet und von üppigen Gärten umgeben, wie Perlen zwischen den einem grünen Teppich gleich ausgebreiteten Höhen hervorschauen, deren Hintergrund durch das von den Franzosen zerstörte ehemalige Festungswerk, die Punchbowlhill, abgeschlossen wird. An der Brandung der steilen und gefährlichen Korallcnklippen vorbei wird das Schilf in den eben so großartigen, wie durch seine Sicherheit berühmten Hafen gelotst. Lange Zeit und bis hoch in die sechziger Jahre hinein war dieser Hafen der Sammel-Platz der Wal­fisch-Fahrer, wo dieselben im April vor der Reise zur Jagd und im November nach der­selben sich ihr Rendezvous gaben, ihre Schiffe ausbesserten, Proviant einnahmen und ihre Beutefracht löschten, um dieselbe durch Kauffahrer meist um Cap Horn herum nach den New-Englandstaaten zu verschiffen. Man fand dann neben den vielen Kriegs- und Kauf­fahrteischiffen oft an hundert Walfischfahrer im Hafen, meistens Amerikaner. Das war ein buntes Treiben höchsteigener, seltener Art. Denn das Schiffsvolk und die Matrosen

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