Teil eines Werkes 
Bd. 1 (1751)
Entstehung
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gen regeln ohne regeln gefolget; allein man iſt bon ſelbigen auf unzaͤhlige weiſe abgegan­gen, und hat, wie in allen ſprachen, nach ſeinem belieben ohne grund beugungen und aͤnderungen gemacht, welche den allgemei­regeln ganz entgegen. Und je weiter die kolonien und haufen auseinander gekommen, je ſtaͤrker hat ſich dieſer abfall vermehret. Die verſchiedene mundart bder ausſprache, der umgang mit auswaͤrtigen, die erſin­dung neuer wohnſize und neuer ſachen, die

gewohnheiten im Gottesdienſt und buͤrger­

licher verfaſſung, handel und wandel, die kriege und ſtaatsveranderungen fein aller orten dazu gekommen: und iſt ſolcherge­ſtalt kein wunder, wann eine ſprache, die an keine geſetze und regeln gebunden, von der en. mutter, und ſelbſt von ihren ſchweſtern ſo gewaltig abhweichet, daß fie ſich kaum, auch wohl gar nicht mehr ver­ſtehen. Hierin liegt auch zum theil der grund, daß eine ſprache gaͤnzlich ansgehet.

Unſere Goten, Vandalen, Longobar­

den, brachten ihre ſprachen mit in aus­

waͤrtige Laͤnder, aber ohne gewiſſe regeln,

und zu ſolchen Voͤlkern, die eine ſprache hatten, ſo nnter gewiſſen regeln ſtund. In Italien, Gallien, Spanien ſprach man Lateiniſch. Die Lateinische ſprache aber ſtund unter gewiſſen regeln. Und ob wohl die uͤberſchwemmung mit ſo vielen voͤlkern eine groſſe beraͤnderung nach und nach im ſprechen eingefuͤhret: ſo haben doch alle dieſe ſprachen ihre Mutter an der La­teiniſchen ſprache behalten. Und es haben ſich immer Leute gefunden, welche auf die einmahl eingefuͤhrte regeln beſtanden; und da fie den ſtrohm nicht hemmen koͤnnen,

doch gedaͤmmet und gebluet, daß auſſer der

Mutterſprache in den Toͤchtern doch die aͤhn­lichkeit erhalten worden. Wiewohl auch nicht zu leugnen, daß die einrichtung und Landesbeſchaffenheit, welche unſere Teut­ſchen, quibus curta ſupellex, die keiner weit lauͤftigkeiten gewohnet waren, dort ans getroffen, und die uͤbergroſſe menge bon ſachen, welche fie bisher noch nicht geſehen, auch nichts dabon gewußt, ſie genoͤhtiget, die ſachen mit den namen, den fie ſchon hatten, zu benennen, um der dinge genieſ­ſen zu konnen, welche fie in dieſe Lander gelokket hatten. Dieſer umſtand und die nohtwendigkeit hat fie alfa dazu gebracht, der uͤberwunden en Volker ihre ſprachen an­zunehmen, die ohnedem nicht vertilget und getoͤdtet worden, ſondern im Lande ſtark gung geblieben. Jedoch iſts auch ſo genau

Erſter Theil, von der Mark insgemein. III. Kap.

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nicht abgelaufen, daß nicht von ihrer ſpra­che vieles in die ſprache der bezwungenen Einwohner ſich eingeſchlichen; wie gar leicht wurde zuerwelſen fein, wann man zwiſchen beiden ſprachen eine vergleichung anſtellen ſollte. Nach abgang dieſer boͤlker aus Tenrſchland und unſeren gegenden kamen die Slaven oder Wenden. Deren ſpra­che ſtund zwar auch unter keinen regeln, und der abgang von ihrer matrice mag weit gnug geweſen fein: allein fie trafen hier eine ſprache an, welche kein heſſeres ſchikſal hatte. Von ſchreiben, leſen hat man we­nig gewußt: und was das vornehmſte war/ fo war der Einwohner in den verlaſſenen orten wenig; wenig auch von ſachen/ welche die Ben­den angetroffen, oder deren ſie eben wären be­noͤhtiget geweſen. Von koſtharenhausraht, lelkerbiſſen und dergleichen reizenden dingen hatten die alte Sueben nicht viel gemacht. Und weil die Wenden den meiſter ſpieleten und mit hellen haufen in dieſe gegenden kamen: fo iſt kein wunder, wann die unterworfen ſich nach ihnen, nicht ſie nach den unterwor­fenen Einwohnern ſich richten muͤſſen; und die menge der Slaven wie den namen der we­nigen Einwohner, alſo auch deren ſprache gleichſam verſchlungen; zumahl da ſie ſich das Land beſſer als ihre vorfahren zu nutze zu ma­chen gewußt, handel und wandel getrieben, Staͤte und Dorfer gebauet und denſelben na­men gegeben. Wie hergegen in folgenden zeiten ſonderlich in 12 jahrhundert die Sach­ſen den meiſter ſpieleten: ging es ehen ſo her. Die Wendiſche Nation mußte der uͤberlege­nen macht weichen: und der haß gegen alles was Wendiſch hieß, war ſo groß, daß man ſie, wo man gewußt und gekonnt, auch mit der ſprache geſucht auszurotten, und nur da welche gelaſſen, wo man ihrer entweder zum landbau und dienſten noͤhtig gehabt, oder ſie nicht gar füͤglich austilgen koͤnnen. Die Sachſen und aus den Niederlanden herge­kommene volker bleiben bei ihrer damahls doch ſchon unter einer regel ſtehenden ſpra­che, welche in den ſchulen auch fortgepflan­zet, die Wendiſche aber, der man auch keine ſchulen gegoͤnnet, welches der gerade weg zum untergang der ſprache war, ie mehr und mehr, und fo weit herunter ges bracht wurde, daß ſie doch endlich würde haben ausgehen muͤſſen: wann nicht das al­terthum und das merkwuͤrdige ſchikſal dieſes volks dieſer orten geſchlkte und geſcheute Maͤnner erwelket, welche, wie wir geſehen, unter vorſchub hoher Haupter, die ſprache wie unter den Wendiſchen Einwohnern durch