Teil eines Werkes 
Bd. 1 (1751)
Entstehung
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963
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963 Vierter Theil,. Abth. Von den Fluͤſſen der Mark Brandenh. Kap. 96 4

Tanger und Anger geheisfen, fleußt, zwiſchen Klein Schwarzloſen und Schoͤnewalde hin, woſelbſt fie die ſogenannte Engelsfördi­ſche Waſſermuͤhle treibet, und gehet won dar auf Boͤlsdorf, allwo ſie ein ander kleines ebenfalls aus ſumpfen entſtehendes Fluͤßlein

die Tole oder Dole an ſich nimmt: richtet

hernach ihren lauf auf Tangermünde, fleußt die Stat vorbei, und ergeußt ſich darauf ia die Elbe, giebt auch dahero der Stat ſelbſt ihren namen Tangermünde, als gleichſam

das oſtium, Muͤnde oder ausfluß der Tan­ger: gleichwie ſonſt die Weixelmünde,

Warnamuͤnde, Duͤnamuͤnde ſo genannt werden, weil fie an den ausfluͤſſen der Düna, Weichſel ꝛe. liegen. dies und jenſeit der Elbe eine gleichſam ge­meine ſage geweſen, daß bei der ſteinernen Bruͤlke naͤhſt der Klauſe vor Tangermünde ein ſehr tiefes und unergruͤndliches Loch in Dies ſem Fluß fein ſolle. Deſſen vergewiſſert zu ſein, habe ich nebſt Hr. Burgerm. Falken, dem Hrn. Diac Kleffeln und einigen Herren

des Rahts dieſen ort heſuchet, und ihn zur

gnuͤge uͤberfahren laſſen; aber bei damahli­gen iedoch kleinem waſſer ihn nicht tiefer, als 12 Rheinlaͤndiſche fuß, oder eine ruhte tief befunden, und zwar mehrentheils einen fe­ſten boden, in der mitte aber etwas trieb­ſand in dem grunde gemerket: und kann ſein, daß dieſes Loch vor dieſem tiefer geweſen, und

nachhero mit triebſand angefuͤllet worden.

Es kann auch ſein, daß das waſſer, indem es durch den engen bogen unter der bruͤkke bei groſſem gewaͤſſer durchgedrungen, oder noch dringet, dieſe iezt befundene tiefe verurſachet: daß es aber bon einer ſo groſſen tiefe, oder gar unergruͤndlich fein ſollte, ſolches verhaͤlt ſich nicht alſo. Es koͤnnte auch ſolches weder der hinein gefloſſene triebſand geſtopfet, noch der abfall des waſſers unter der bruͤkke verurſa­chet haben. 21 Sonſten iſt dieſer kleine Fluß bei etlichen Gelehrtenin ſolches anſehen gekommen, daß fie dafuͤr gehalten, es haͤtten die uralte Teutſche Voller, Tungri genannt ß und folgends die Thu­ringer dabon ihre benennung gefuͤhret, als beim Bucherius Belgij Romani L.XV. c. 10. alwo man dieſe worte lieſet Ihoringos feu Deuringos(mendoſe apud Tacitum Reu­dingos) Longohardis a ſeptemtrione conti­guos ex Laciti Germania intelligimus cis& ultra Albim, ut exiſtimo, cis quidem qua Tun­ger fuvius in außrali Marchige Brandenhurgen­Ha antiquae traclu ſluit& abluto Tanger oppi­do ad Tangermunde Albi ſiniſtrorſum, hauri­tur- trans Albim autem in adverſa parte & Marchia media, qua fluvioli Derfe, Rhien

Es iſt auch beides

& Havela in Albis ipſius dextram, ripam decurrunt. Et ego quidem vehementer ſuſpicor, horingos& contractius Jungros g; illo Rivo Tanger, ſeu ut Ditmarus, locorum iſtorum indigena, legit Junger nomen ſor. titos, eoque LThoringos& Longros unam olim gentem extitiſſe. d. Der Thoringer oder Deuringer(beim Lacito ſtehet unrecht Reudingi) ſo der Longobarder nachbaren mit; ternachtwerts geweſen, geſchiehet meldung beim Tacito, und haben ſie, wie ich meine, dieß und jenſeits der Elbe gewohnet. Dieſſeits zwar da der Jluß Tanger in dem ſůdertheil derꝛllten Mark Brandenburg fleußt, und wann er bei dem Staͤtlein Tanger vorbeigegangen, gehet er bei Tangermünde an der linken ſeite in die Elbe: jenſeits aber an der andern ſeite und in der Mittelmark, da die Flüßlein Dorſe, Rhien und die Havel an der rech= ten ſeite in die Elbe flieſſen; und zwar muht­maſſe ich gar ſehr, daß die Thoringer und kurzer Tongrer von dem Fluͤßlein Tanger, oder wie Ditmarus, der an den orten zu baufe gehdret, lieſet, Longer, Tongera, ihren na­men bekommen, und alſo die Thoringer und Tongerer ein Volk geweſen fein. Aber

Bucherius iſt in dieſem Lande nicht geweſen: ſonſten wurde er nimmer geglaubet haben; daß ſo ein kleiner Fluß, der nicht viel über

zwei oder drei meilen lang iſt, eine ſo groſſe Nation ſolte benahmet haben, wie dann auch Herr Sagittarius deshalb dieſer meinung ſo wenig, als daß die Thüringer in der Mark an obgeſetzten orten ſollten gewohnet haben, beipflichten wollen. Antiqu. Thuring. LI. c. II. F5. 12. 3. f. 25. 26. und c. V. S5. 45. ſ. 05. Es ſein auch ohne das in Bucherii erzehlung mehr abwege vorhanden, die feine ganze be­griffe verdaͤchtig machen; als, daß die Tan­ger bei einem Staͤtlein Tanger borbeiflieſſ, dergleichen Staͤtlein in der ganzen Markl nicht vorhanden: man weiß auch von keinem Fluͤßlein Dorſe, ſo an der rechten ſeite indie Elbe faͤllt, wohl aber von der Doſſe, die in die Havel fällt, welcher nachhero wird ge­dacht werden. Die Havel iſt auch kein ZIP lein, ſondern in der Mark ein Hauptfiuß: und iſt im übrigen die gleichfoͤrmigkeit der namen eine alzuſchlechte folge auf die gleich foͤrmigkeit der ſachen ſelbſt: ſonſten wurde man die Jeſtung Tanger in Africa auch hie herziehen, und etwan eine unterirdiſche ge meinſchafft dieſer beiden oöͤrter, oder ich wer (nicht was ſonſten erdenken muͤſſen. auch die benennung Angra, Anagra, betrifft/ davon Angermuͤnde gemacht wird, Ch Luneh. Leibn. I. Ill. ſ 198.