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Zuruf an die israelitische Gemeinde in Frankfurt an der Oder : Des israelitischen Geistlichen Beruf und Stellung in unserer Zeit : Predigt, gehalten in der Synagoge zu Frankfurt an der Oder am Sabbath Nachmu 5600 (15. August 1840) / von Dr. Samuel Holdheim, Großherzoglich Mecklenburg-Schwerinschem Landes-Rabbiner
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mitleidig die Achsel zucken und ausrufen möge: wüßte doch der Rabbiner so viel von der Erde, als ein Schulknabc vom Himmel weiß!

Und meint Ihr: es wäre doch schwer, die Kenntniß des Ewigen und Göttlichen mit der Kenntniß des Zeitlichen und Weltlichen in einem und demselben Manne vereinigt zu finden, und wolltet daher das heilige Amt theilen, einen Andern dazu bestellen, dem Ihr Eure religiösen und Gewissensfragen vor­legtet, und wieder einen Andern, der Euch das Gctteswort predigen sollte; hütet Euch vor diesem Jrrthum! Es wäre ein unseliger Same neuer Zwietracht und Spaltungen in Eurer Gemeinde. Hütet Euch um Gotteswillcn, das heilige Amt zu theilen, denn es ist ganz und unth eilbar, wie alles Gött­liche, das es vertritt. Derselbe Mann, dem Ihr Eure religiö­sen und Gcwissenssragen zur Entscheidung vorleget, derselbe muß Euch das Gotteswort predigen; der Euch belehrt über einen einzelnen Fall in seinem Hause, derselbe soll Euch die ganze Religion lehren im Gotteshause. Der Mann des Ge­wissens ist auch der Mann der Lehre und der religiösen Bil­dung. Der Mann, der Euch die Religion lehrt, soll Euer ganzes und ungetheiltes Vertrauen besitzen. So war es immer in Israel und so soll es immer bleiben! Glaubt Ihr, daß neben Jesaias, Jeremias und andern Propheten, Gottesmän­nern und Volkslehrern in Israel noch außerdem ein unbedeu­tendes Männchen existirt habe, dessen Amt es war, Gewissens­fragen zu entscheiden? Mit Nichten! Derselbe öffentliche Ver­kündiger des göttlichen Wortes war es auch, an den man sich in allen Lagen und Beziehungen des Lebens wandte. /Derselbe^ der den Schlichtesten unter Euch über religiöse Fragen Aus­kunft giebt, derselbe soll der ganzen Gemeinde vorstehen, die ganze Gemeinde vor Gott und der Welt vertreten, aus dem Gesammtbewußtsein der ganzen Gemeinde sprechen; derselbe,