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Geltung zugestehen, was vor ihrem freien und unbeengten Forscherblick bestehen kann. Das andere Lager verschanzt sich in einem engen Thale und will auch kein Fußbreit aus seiner Verschanzung weichen. Alles, was in diesem engen geschichtlichen Kreise einst Geltung hatte, soll für die Ewigkeit, unbekümmert um Zeit und Raum, seine Geltung behaupten. Zwischen beiden feindlichen Lagern streckt sich eine große Ebene des religiösen Lebens aus, die, weil von so Wenigen betreten, einer Wüste gleicht. Auf dieser steht der religiöse Führer der Gemeinden. Steigt er mit Jenen auf die Höhen, so läßt er die Andern im Thale zurück. Senkt er sich mit Diesen herab, so verliert er Jene in der Höhe. Daher: „Eine Stimme rufet" — es ist die Stimme Gottes — „in der Wüste bahnet den Weg des Ewigen, ebnet in der Steppe eine Straße unserem Gotte! Jedes Thal hebe sich und jeder Verg senke sich, und es werde die Krümmung zur Ebene und die Hügel zur Fläche." Die auf den Höhen mögen bedenken, daß man auf den Vergspitzen, wo die Luft so rein und der Blick so frei ist, wohl einige Stunden behaglich verweilen, aber nicht für's ganze Leben da zubringen könne, denn es fehlt an hinreichender Lebens wärme. — Und also auch mit dem Leben des Geistes, mit der Religion! Man kann nicht immer in den geläuterten Sphären der freiesten Anschauung verweilen. Es muß der Glaube, der heilige, göttliche, feurige Glaube das Gemüth erfassen, den Geist erleuchten, aber auch das Herz erwärmen, ernährenden und erwärmenden Lebensstoff für's ganze menschliche Dasein, in allen seinen Theilen und Lagen, ausreichend gewähren. — Und die im Thale mögen auch ihrerseits wohl beherzigen, daß, so lange Israel von den großen und offenen Märkten und Plätzen des geistigen Lebens und Treibens zurückgedrängt war, es allerdings in ein enges Thal sich einschließen mußte, denk alte Zu- und Ausgänge verschlossen