Heft 
(1907) 15
Seite
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Bücherbesprechung.

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in Museen und Privatsammlungen aufbewahrten Schätze werden in diesen Monographien, nach einem bestimmten Gesichtspunkte geordnet, ans Licht gezogen und dem deutschen Volke zugänglich gemacht und berufene Verfasser sorgen durch sachgemäße Darstellung für die Belebung des sonst toten Bildormaterials upd iur das Verständnis der in den betreffenden Zeiten herrschenden Zustände.

Im 11. Band behandelt G. Liebe die Stellung der Juden in der deutschen Vergangenheit in gemeinverständlicher weise und zeigt, daß die Entwicklung der Judenfrage mehr einen sozialen als einen religiösen Charakter trägt und daß die Erbitterung gegen die Juden erst im 12. Jahr­hundert auftritt, als diese infolge der guten Entwicklung des -wirtschaftlichen Lebens zum Teil eine bedeutende soziale Stellung im Reiche einnehmen. Landesherren, adlige Geschlechter und Städte suchten aus den gleichen eigennützigen Gründen die Ansiedlung der Juden zu fördern, die Masse des Volks aber, vielfach von den Schuldnern der Hebräer aufgestachelt, betrachtete letztere als Aussauger und Bedrücker, und die Folge waren die seit der Kreuzzüge immer wieder auftauchenden Judenverfolgungen, die von Agitatoren aus den oberen Schichten angezettelt und von dem Proletariat ausgeführt wurden. Der rituelle Knabenmord und die Hostienschändung sind die beiden immer wiederkehrenden Anschuldigungen, die den Anstoß zu den gehässigsten Verfolgungen geben, bei denen Plünderung und Brand, Mord und Unzucht eine Hauptrolle spielen, und später bilden die verschiedenen Epidemien, die Deutschland heitnsuehen, neuen Anlaß zu Verfolgungen und Bedrückungen der Juden. Diese verloren allmählich ihre soziale Stellung, wurden in besondere Quartiere eingeschlossen und mußten sich durch eine eigene, mit Merkzeichen versehene Kleidung kenntlich machen. Die Stellung der Juden im Erwerbsleben wurde hierdurch nur wenig berührt, infolge des ihrer Rasse eigenen zähen Charakters gelang es ihnen, auch weiterhin durch Handel und Wucher Reichtümer zu erwerben und durch gelehrte Beschäftigung vielfach angesehene Stellungen zu erlangen. Die Parias der damaligen Gesellschaft sind die Juden keineswegs gewesen, wenn sie auch manchen Kränkungen und Bedrückungen ausgesetzt waren. Daß sie immerfort eine bedeutende Macht im sozialen Leben ausübten, zeigen die mannigfachen Verordnungen, die im Laufe des 16. und 17. Jahrhunderts gegen die Überhebung und den Wucher der Juden erlassen werden, die Ausweisungen aus Stadt und Land, die Bauernaufstände, die Plünderungen der Judenviertel und die verschiedenen Prozesse gegen jüdische Geldverleiher und Münzmeister. Der jüdische Ein­fluß auf das Leben des deutschen Volkes wuchs noch mehr, als einzelne Juden sich auf dem Gebiete der Medizin, Philosophie und Astronomie und später der Literatur auszeichneten, und nach dem 30 jährigen Kriege finden sich eine ganze Anzahl jüdischer Geldleute in angesehenen Stellungen an den Höfen kleiner deutschen Fürsten. Diesen Einfluß haben die Juden fortan zu wahren gewußt und haben ihn in den nächsten Jahrhunderten gesteigert, bis sie schließlich auf allen Gebieten des Handels und der Industrie, der Kunst, Wissenschaft und Literatur eine nicht zu unter­schätzende Stellung erreicht haben. Vieles, was in der Monographie von deutschen Verhältnissen im allgemeinen gesagt wird, trifft auch für die