Kleine Mitteilungen.
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Briefe der Leonore Prochatzka.
Groß-Bänitz, den 30sten Juli 1813.
Lieber Bruder!
Nun lmbo ich Dir noch Etwas ganz Neues zu erzählen, worüber Du mir aber vorher versprechen mußt, nicht böse zu werden. Ich bin seit 4 Wochen schon Soldat! Erstaune nicht, aber schelte auch nicht. Du weißt, daß der Entschluß schon seit Anfang des Kriegs meine Seele beherrschte. Schon zwei Briefe von Unbekannten erhielt ich, welche mir vorwarfen, ich sey feige, da Alles uin mich entschlossen sey, in diesem ehrenvollen Kriege mitzu- kämpfen. Da wurde mein Entschluß unumstößlich fest; ich war mir im Innern meiner Seele überzeugt, keine schlechte und leichtsinnige That zu begehen; denn siehe Spanien und Tyrol, wie da die Weiber handelten! Ich verkaufte also mein Zeug, um mir erst eine anständige Wannskleidung zu kaufen, bis ich Montirung erhalte; dann kaufte ich mir eine Büchse für acht Thal er Courant, einen Hirschfänger und Tschakot, zusammen 3'/ 2 Thaler Courant. Nun ging ich unter die Büchsenjäger, denn eins mußte ich tliun, entweder mich equi- piren oder armiren. Das erstere wäre mir viel leichter gewesen, wenn ich schon .Männerkleidung gehabt hätte; da ich die aber nicht hatte, konnte ich auch nicht auftreten. Meiner Klugheit kannst Du trauen, daß ich unerkannt bleibe. Zu llavelberg, wo ich vorgestellt wurde, traf ich den Hautboisten Groß, welcher mich doch sehr genau kennt, aber nicht erkannte.
Ich habe nun noch die große Bitte, daß Du es Vätern vorträgst, so vortheillmft als möglich für mich. Vater wird nicht so böse seyn, glaubeich, denn er erzählte selbst Skizzen von den Spaniern, wobei er meinen Entschluß deutlich aus meinem Gesichte lesen konnte. Ich habe aus Vorsicht auch meinen Namen geändert; wenn Du mir schreibst, so schreibe doch ja, als wenn ich Dein Bruder wäre, denn Du weißt, Briefe haben mancherlei Schicksale. Wir exerciren, tirailliren und schiesen recht fleißig, woran ich sehr viel Vergnägen finde. Ich treffe auf hundert und fünfzig Schritt schon die Scheibe.
Lebe recht wohl, bester, guter Bruder! Ehrenvoll oder nie siehst Du mich wieder. Grüße Vätern und Carolinen tausendmal; sage ihnen, versichere sie, daß mein Herz stets gut und edel bleiben wird, daß keine Zeit, kein Schicksal, keine Gelegenheit mich zu Grausamkeiten oder bösen Handlungen verleiten soll, und daß stets mein Herz treu und bieder für Euch schlägt.
Mit ewiger Liebe Dein Bruder
August Renz.
L. P.
Schwerin, den 9ten August 1813.
Lieber guter Bruder!
Uns ist gesagt, daß wir in acht Tagen schon vor den Feind kommen. Es ist also vielleicht das letztemal, daß ich mit Dir, Theurer, Guter, noch • eine Unterhaltung habe. Ich bin zwar sehr müde; wir haben in fünf Tagen