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Kleine Mitteilungen.
Kleine Mitteilungen.
Die schwarze Dame. (Ein Beitrag zum Märkischen Volksglauben). Am 15. Dezember 1908 entnahm ich der Oderberger Zeitung nachstehende unter Bralitz - Oderberg registrierte Notiz, die für die Weihnachtszeit recht bezeichnend ist.
„Bralitz. Seit einigen Tagen,spielte die schwarze Dame wieder eine Rolle hierselbst. In der Zeit von 7 bis 10 Uhr abends tritt sie an verschiedenen Stellen unseres Ortes auf und verfolgt alleingehende Personen. Kinder und Frauen werden am meisten von ihr belästigt. Merkt sie, daß Gefahr im Anzuge ist, so nimmt sie schleunigst Reißaus. Gestern Abend wurde sie von einem Manne gesehen und auch verfolgt; leider gelang es ihr wieder, sich in Sicherheit zu bringen. Eine tüchtige Tracht Prügel dürfte ihr sicher sein, falls sie gefaßt werden sollte. Dies würde auch wohl die richtige Medizin sein, um diese Heldin von ihrer unsinnigen Handlungsweise zu heilen.“
Es wäre im Interesse unseres märkischen Volkstums tief bedauerlich, sollte dieser alte, erhaltungswürdige Brauch aus Unkenntnis oder wegen Ausartung auch hier verschwinden. Wir haben nicht mehr viel davon und deshalb sollten sich die Fischer, denen es der „Wasserweihe" und der „Segnung“ des Fischreichtums besonders angeht, noch dafür einlegen; man wird darüber hören. Das Urbild dieser Bralitzer „schwarzen Dame“ ist die uns durch Grimms Märchen bekannter gewordene Frau Holle, in unserer Heimat bekannter unter dem Namen „holde Frujja Berta“ als das Sinnbild für die verwitwete, also winterliche Erde. Diese in Witwentrauer gehüllte Gottheit geht vom St. Nikolaustage (6. 12.) bis zum Dreikönigstage (6. 1.) in unserer Heimat um, begleitet von den „Heimchen“, dem Räderpfluge oder der Barke, dem eberköpfigen Fischerkahn der Odergegend. Viele kleine Traditionen, Gebräuche, Ortsbennungen erinnern hier an die^holde Frau.
Die christliche Anschauung wandelte die „schwarze Dame“ in eine Epiphaniasfrau, kurzweg „Befana“ um, welche zum Schornstein herabfahrend die unartigen Kinder im Hause schreckt und straft, die artigen hingegen belohnt und beschenkt. Sie war allen Frauen wohlgesinnt, die sehr darauf acht gaben, daß der Schornstein als Eingangstor aller guten Geister, auch des Kindersegens nicht verstellt ward. Am Ende der „hilligen Meenweeke“ der heiligen Gemeinwochen am Epiphaniastage erscheint sie ihren Lieblingen für längere Zeit zum letzten Male, die Frauen dankten und dieneten ihr dann. Sie war Seelenbegleiterin, Schutzgöttin der Fischerei wie des Ackerbaus und später Schutzpatronin.
Wie unsere liebe „Weihnachtsrute" von einsichtigen Eltern' als Erziehungsmittel wohl geschätzt wird, so sollte auch der „Graul“ L der Kinder bei seiner erziehlichen Seite gefaßt werden und nicht ganz verschwinden. Was ein richtiger Kindergraul ist, der erschüttert und bewegt die Seele des Kindes und spannt an zu allem Guten. Unsere Voreltern haben sich als