Kulturgeschichtliche« Uber die Citrone.
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Liebe hat er auf dem (im Museo civico tu Verona befindlichen) Bilde „Madonna mit dem Schirm“ vor den Altar eine Limone [d. h. eine Citrone] gelegt. — Und in der Kirche S. Giorgio in Braida zu Verona zeigt das Bild „Madonna von Limone“ einen Citronenbaum hinter dem Thron der Madonna.
Wer von Ihnen, geehrte Anwesende, das Land kennt, „wo die Citronen blühen“, der weiß, welch’ ein herrlicher Duft den sozusagen „schüsgelförmigeu“ Blüten entströmt, und welchen Wohlgeruch auch die lederartigen, immergrünen, reichlich mit öldrüsen ausgestatteten Blätter verbreiten, ln Süd-Europa wird die Frucht jährlich dreimal geerntet; aber der Ausfuhr zu Liebe müssen auch die Citronen vor der Reife abgenommen werden.
Im Brandenburgia-Heft vom Mai 1906 habe ich (im Anschluß an meinen kurz vorher gehaltenen Vortrag „Italiens Pflanzenwelt in Berlin“) Angaben über Ausfuhr, Handel und Verwertung der Citronen gebracht. Davon will ich wiederholen, daß nach J. D. Riedel (Aktien-Gesellschaft, Berlin, Chemische Fabriken und Drogen-Großhandlung) den Hauptanteil Sicilien hat, wo — wie mir Hr. R. schrieb — zu Tausenden von Zentnern der citronensaure Kalk (Vorprodukt zu Citronensäure) gearbeitet wird, der zur Bereitung erfrischender Getränke und Medikamente in die weite Ferne und so auch nach den Tropen wandert; u. a. findet er beim Pommeril Verwendung. Der Wert des citronensauren Kalks ist etwa 280 Mark für 100 Kilo.
Die Schalen der italienischen großen und süßen spada forex, mitunter auch die der Citrone, liefern die uns bekannte Succade, d. i. Citronat oder Cedrat.
Über das Erfrischende einer Limonade zu sprechen, ist überflüssig; es sei nur daran erinnert, daß es auch heißes Citronenwasser gibt. Und Schiller sagt noch: „Preßt der Citronen saftigen Kern!“ — Ausgepreßte Citronenscheibeu umkränzen des Russen Teetasse, denn ihm ist „tschai s limönom“ doppelt willkommen.
Citronensaft ohne Wasser ist bei den Anfängen eines Ilalsleidens von großartiger Wirkung; der Saft vernichtet den heranrückenden Feind, — vorausgesetzt, daß man eben irn Anfänge der Beschwerden zu diesem bequemen und billigen Mittel griff.
M. Hoefler*) spricht sogar von der „pestwidrigen“ Citrone.
Bei Wanderungen durch Staub kann es kaum etwas Besseres geben, als eine ein wenig angeschnittene Citrone: Mund, Hals und Nase werden zugleich erfrischt und vor Leiden geschützt. — Das
*) 31. Hoefler, Der Geruch vom Standpunkt der Volkskunde. (Ztschr. d. Vereins f. Volkskunde; 1803; S. 445.