Heft 
(1914) 22
Seite
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Aromatische, Erquickende und Belebende der Citrone hat sie «um Sinn­bilde des Lebens und des Schutzes gegen das Lebensfeindliche gemacht. Daher schützt nach altem Glauben die Citrone gegen Bezauberung; daher trägt das indische Weib, welches sich nach dem Tode seines Gatten verbrennen last, auf seinem Gange zum Scheiterhaufen eine Citrone in der Hand, als Sinnbild ihres künftigen Zusammenlebens mit dem Gatten; daher die noch übliche Sitte, daß bei einem Leichenbegängnisse die Leid­tragenden die das neue Leben des Abgeschiedenen symbolisierende Citrone in der Hand tragen; daher endlich die Sitte der zum ersten Mal zur Kommunion gehenden Kinder, eine Citrone zu tragen, weil sie durch die Cornmunion ein neues Lehen durch ihren erneuerten Bund mit Gott eingehen.

Weit von einander entfernte Völkerschaften bringen auf irgend eine Weise die Citrone mit dem Leben oder mit der Liebe in Verbindung.

In der Zeitschr. d. Vereins f. Volkskunde (1904, S. 462) erwähnt K. Weinbold bei Besprechung vonLe Folklore de Lesbos par Georgeakis et L6on Pineau:Eine geläufige bildliche Verkleidung des gebildeten Mädchen ist der Citronenbaum; .duftige Citrone* wird das Mädchen angeredet. Und W. Hoerstel*) (Santa Lucia) teilt uns mit, daß die Burschen in der Camorra dem geliebten Mädchen Lieder vorbrüllen, von denen einsCitronenblätter heißt.

In Heia legt die Braut dem Pfarrer nach der Trauung eine Citrone auf den Altar (llevelke Prediger an St. Barbara in Danzig: Kirchliche Sitten in Westpreußen; Danzig, A. Müller vorm. Wedelsche Hofbachdruckerei.

In einem Tafel werkBaierische National-Costüme (bey J. M. Hermann in München) ist auf Bl. XXI eine Hochzeitskleidung nach Alt-Reichs­städtischer Sitte zu Regensburg dargestellt: Bräutigam und Braut halten je eine Citrone in der Hand. Im Text ist nichts darüber gesagt. Die Personen sind lutherisch. Die Tracht gehört der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts an.

Heute bringen im Bayrischen Wald bei ihrer Hochzeitsfeier die jungen und wohl auch die alten Paare dem Geistlichen eine Citrone.

Auch in Hessen-Nassau erhält bei der Hochzeitsfeier der Geistliche eine Citrone, aber dazu noch einen Rosmarinzweig und ein Sacktuch.**)

Zu Frankfurt a. d. Oder bringt (oder brachte) der Bräutigam vor der Trauung dem Pastor eine Citrone, ein großes weißes Halstuch und ein Glas Bier.

Jetzt aber ein anderes Bild! Herr G.-R. Friedei sagte mir, daß nicht nur in Pritzwalk die gemästeten Kühe wenn sio der

*) Daheim Nr. 39; 29. Juni 1901.

**) Freybe, Der Rosmarin; s.Das Land, 1. Jan. 1905. Herausg. Sohnrey.