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Kleine Mitteilungen.
die einzelnen Arten von Pilzen an und ging sodann zum Kernpunkt seiner Ausführungen, der Unterscheidung zwischen giftigen und eßbaren Pilzen über. Die einheimischen Ilauptarten beider Gattungen lagen vor, und aus den Betrachtungen des Vortragenden über die verschiedenen Gruppen der Pilze ergab sich, daß oft Pilzarten zu Unrecht eine Giftigkeit untergeschoben wird. Interessant war seine Beobachtung, daß gewisse Pilzsorten, die in unserer Gegend unbedingt giftig wirken, wie beispielsweise der Fliegenpilz mit ihrem Vorschreiten nach dem Osten an Giftigkeit verlieren. So wird der Fliegenpilz beispielsweise in Polen und Rußland ohne Schaden genossen, während er noch weiter östlich, in Sibirien, wiederum an Giftigkeit zuzunehmen scheint. Selbstverständlich sei bei der Auswahl der Pilze zu Nahrungszwecken die größte Vorsicht geboten. Erstes Haupterfordernis sei natürlich die Kenntnis der unzweifelhaft als giftig zu bezeichnenden Arten; man nehme ferner nie Pilze, die man nicht kennt Ohne weiteres genießbar seien Keul- und Stachelpilze, alle unterirdischen Pilze (Trüffelarten), Morcheln, sofern sie frisch zubereitet und abgekocht sind. Von den Lamellenpilzen müssen alle gemieden werden, die hochrote Färbung, von Milchlingen die, die weiße und scharfschmeckende Milch haben. Aus der Amanitagruppe, zu der auch der Fliegenpilz gehört, sei besonders noch vor dem Knollenblätterpilz zu warnen, der in seiner Jugend häufig zu Verwechslung mit dem Champignon führe. Das Unterschiedsmerkmal ist hier für Champignon schwarze, für den Knollenblätterpilz weiße Sporen. Der Knollenblätterpilz sei insofern besonders gefährlich, als sich Vergiftungserscheinungen nach seinem Genuß erst sehr spät, — oft 12 Stunden nach der Mahlzeit — zeigen.
Der Schriftsteller Eugen Stangen brachte (im Berl. Lok. Anz. vom 21. Sept. 1913) einen Aufsatz, betitelt .das Pilzweibele“. Am Schluß äußerte der Verf. sich wie folgt: „Gibt es etwas Deliziöseres und dabei Nahrhafteres alsPilze? Das Untrüglichste aber zum Erkennen edler Pilze ist — das Pilzweibele. Sucht nicht selber Pilze, sondern kauft vom Pilzweibele! Auf dieses kann man sich verlassen. Es gibt einen rotkappigen Pilz, dem man die Haut abziehen muß, weil hier die Haut giftig ist. Das Pilzweibele bringt solche Pilze gleich abgezogen. So brachte sie mir mal auch, als ich noch auf dem Lande lebte, mir völlig unbekannte Pilze, die recht „knatschig“ und unansehnlich waren. Als ich Verdacht äußerte, empörte sich das Pilzweibele; das seien gerade die besten Pilze, behauptete sie, die die kräftigste Suppe gäben. Ich kaufte sie, kochte sie, aß sie — und lebe heute noch.
Ich kenne viele Pilze und sammle sie, wenn ich sie auf einsamen Waldwegen finde; aber welchen Pilz ich nie selbst sammle und keinem zu sammeln raten würde, das ist der Reizker. Der Blutreizker wie der gelbe bzw. grüne Reizker marschieren als Suppenpilze an der Spitze. Ich kenne keine Suppe, die wundersamer schmeckte als eine Reizkersuppe. Nicht die kräftigste Fleischsuppe mit allen Schikanen kommt ihr gleich. Reizkersuppe ist der Suppen Königin! Man denke, wenn man solche Köstlichkeit als „Sudwasser* fortgießen sollte. Pilze sind als Volksnahrung leider immer noch viel zu wenig gewürdigt. Aber Reizker würde ich nie selbst suchen, weil es zu täuschend ähnliche, giftige Pilze gibt. Aus diesem Dilemma kann einzig und allein das nie sich irrende, verläßliche, sichere, untrügliche