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Kleine Mitteilungen.
Tatarensturm und die sich hieraus ergebende Mischung mit mongolischem Blut wurde sie wieder auf die Bildung kleinerer Fürstentümer gedrängt, bis im 16. Jahrhundert die Unterwerfung dieser unter das Großfürstentum Moskau erfolgte. Jetzt erst — Mitte des 16. Jahrhunderts — tritt das Russentuin als ein staatlicher Faktor in Europa auf, der besonders unter Iwan dem Grausamen nach der Zertrümmerung des livländischen Ordensstaates seine Augen auf die deutsche Ostseeküste richtete. 726 Jahre hatten die Nachfolger des Warägers Rurik das russische Volk beherrscht, bis sie 1.798 mit Fedor I. ausstarben und 1610 das Ilaus IIolstein-Gottorp als Nachfolger erhielten; aber jene hatten keine russische Kultur erzwingen können. Was an äußeren Errungenschaften zu sehen ist, entstammt deutschen, französischen, italienischen, englischen und schwedischen Quellen, besonders aber der an erster Stelle genannten, die, schon von Iwan dem Grausamen begünstigt, von Peter dem Großen systematisch gepflegt wurde. Dagegen verharrten die im Süden sitzenden Kleinrussen von reinerem slawischen Blut bei ihrem Volkstum, das unverkennbare Züge auch mit den Westslawen gemeinsam hatte und in einen starken Gegensatz zu dem rohen, stark tatarisch (mongolisch und finnisch) durchsetzten Großrussentum geriet. Mit Peter dem Großen, der 1697 in Berlin weilte, beginnen engere Beziehungen des offiziellen Rußland mit Brandenburg. Sie wurden nur 1757 bis 1762 durch Kriege unterbrochen, die das Russentum in unverminderter Roheit zeigten. Im 19. Jahrhundert wurden die Beziehungen, entstanden im Kampfe gegen Napoleon I., mit Preußen und Berlin sehr eng. Sie endeten erst unter dem gegenwärtigen Zaren. — Der Redner wies zum Schluß noch auf eine große Anzahl von Einflüssen hin, die als Reste der vorgeschichtlichen Beziehungen zwischen Germanen und Slawen auch in die frühe Kultur der Mark Brandenburg hineinleuchten. So ging er auf das Dorf und den Ackerbau mit seiner eigenartigen Flurverfassung in der Mark und in Rußland ein, wies auf den Gegensatz hin, der zwischen der Scheunenwirtschaft der Deutschen und Westslawen einerseits und den Feldscheuern der Russen andererseits besteht, und sprach zum Schluß über die Dörrwirtschaft, die einem großen Teil der Russen aus germanischen Quellen zugeflossen ist und die sich in dem russischen Dörrhause vermutlich als ein altgermanisches Erbe erhalten hat. Der Vortragende machte darauf aufmerksam, daß vielleicht manche der sogenannten Ilerdgruben, die man so häufig in der Umgebung vorgeschichtlicher Wohnstätten (z. B. Buch) findet, sich bei eingehender Beobachtung als Reste alter Dörrhäuser erweisen könnten.
Zu den Ausführungen über vorgeschichtliche Getreidefunde vgl.:
Ausgrabungen bei Trebus: A. Kiekebusch, Prähistor. Zeitschr. V. 1914 und Pfarrer Hessler, Müncheberger Mitteilungen II. und III.
A. Kiekebusch: Ausgrabungen bei Wutzetz-Nackel. Brandenburgia, XXIII. 1914.
A. Götze: Burgwall bei Riewendt. üesch. Ber. der Brand. Komm. f. Denkmalpflege 1911-1913.
Über die Ausgrabungen auf dem Eichwerder (Dr. Kiekebusch) u. auf dem Räuberberge bei Phöben (Dr. Bestehorn) sind noch keine Berichte erschienen.
Für die Redaktion: i. V. Dr. A. Kiekebusch, Berlin, Märkisches Museum.
Die Einsender haben den sachlichen Inhalt ihrer Mitteilungen zu vertreten. Druck von P. Staukiewicz' Buchdruckerei G. m. b. H., Berlin, Bernburgestr. 14.