Heft 
(1916) 24
Seite
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r>er Rötepfuhl.

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Stengel werden, zu Bündeln vereinigt, ins Wasser gelegt, damit der gummiartige Klebstoff durch den eintretenden Yerwesungsprozeß zerstört wird, so daß die Bastfasern sich vom holzigen Stengel und der Oberhaut leicht ablösen lassen. Der Flachs darf nur so lange im Wasser liegen, bis der Klebstoff zersetzt ist. Versäumt der Landmann den richtigen Zeitpunkt, so greift der Verwesungsprozeß die Bastfaser selbst an, und der Flachs wird minderwertig oder gar unbrauchbar.

Der Begriff des Rötens hat also mit dem einer Rotfärbung nichts zu tun. Röten, eine niederdeutsche Form für rösten, ist am nächsten verwandt mit rotten, das im Hochdeutschen ja nur in der Zusammen­setzungverrotten, verrottet gebräuchlich ist. Bei Genshagen, Kr. Teltow, kann ich sogar einen Rottbusch nachweisen, in dem ein kleiner Pfuhl liegt. Da findet man ausnahmsweise einmal die hoch­deutsche Form. 1 ) Der Vorgang und zugleich der Ort der Verwesung, des Röstens oder Rötens, wird als dieRöste, im Niederdeutschendie Röte bezeichnet. Treffende Erklärungen der hier in Betracht kom­menden Wortformen finden sich schon bei Adelung. DenRöthepfuhl allerdings habe ich bei ihm ebensowenig gefunden wie in einem anderen Wörterbuche. UnterRöthe findet sich aber die Bemerkung: Das niedersächsische und auch in einigen obersächsischen Gegenden übliche Röthe, von einer Art der Behandlung des Flachses, gehört nicht hierher, sondern zu dem Niedersächs. raten, roten, faulen. Siehe Röste, welches der eigentliche hochdeutsche Ausdruck ist. Rösten erklärt Ade­lung sehr fein sogar als ein Verb, das verwesen machen bedeutet, aber nur von dem geringsten Grade der Verwesung, der mehr in einem mürbe werden bestehet, in der Landwirtschaft üblich ist. Im Anschluß daran gibt Adehmg dann eine durchaus richtige Darstellung des Röstens oder Rötens.

Im Gegensätze dazu finden wir in Grimms Wörterbuch eine Schilderung des Vorgangs, die (nach dem Zitat) von Jacobsohn [3,455a] entlehnt ist und von neuem beweist, daß die richtige Anschauung vielen verloren gegangen ist. Die sachlichen Angaben sind nicht nur falsch, sondern enthalten geradezu Widersprüche. Sprachlich gibt Grimms Wörterbuch für Röste, [rosse, rösze], rote, röte, rete, rotte, röte, röte und rotten (verrotten) den gewünschten Aufschluß.

Auch Heinsius (Deutsches Wörterbuch) weist richtig darauf hin, daß rösten verwesen machen bedeutet,doch nur von einer an­gehenden Verwesung etc.Besonders Flachs und Hanf rösten, ihn solange ins Wasser legen, bis der Bast mürbe wird und sich leicht absondern läßt. Hier wird fälschlich geglaubt, daß der Bast mürbe werden soll, was nach obigen Auseinandersetzungen nicht richtig ist. Im Backofen mußte der Flachs nach dem Röten getrocknet werden.

') Oder wie Rottland, Rotthnfe von roden? Der Pfuhl sollRottpfnhl heißen.

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