Heft 
(1896) 5
Seite
395
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Volkstümliche Naturanschauungen.

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sie vertraulich beim Vornamen: Erasmus. Weniger verständlich ist es, warum der Mecklenburger den unfruchtbaren Sandboden seiner Heimat als Klas Hahn bezeichnet.

Hübsche Übersetzungen macht sich das Volk von dem Vogelgesange. Die Haubenmeise singt im ersten Anfänge des Frühlings:

Spitz die Schar, spitz die Schar

Bauer in den Acker fahr.

Der Rohrsperling versteckt sich im Schilf und schreit: Korl, Korl, Korl! kiek, kiek, kiek!

Bekannt ist die Riickertsche Dichtung vom Schwalbengesang:

Als ich Abschied nahm, waren Kisten und Kasten schwer,

Als ich wieder kam, war alles leer.

Doch hat der Dichter hier auf die genaue Wiedergabe der Vogel- stimnie verzichtet. Besser ist die Tiroler Version:

Als wir fort sind, sind die Kisten, Kasten voll gewesen;

Als wir kommen sind, sind die Kisten, Kasten leer gewesen.

und die bei Havelberg übliche Übertragung:

Ich wollte meinen Kittel flicken, da hat ich keinen Zwerrrrn,

Ich fand nur ein ganz kleines End, da musst ich lange zerrrrn.

Vielfältige Wiedergabe fand die Stimme des Pirols. In der Mark heisst der Vogel jn getreuer Nachahmung des capriciösen Rhythmus seines Gesanges, der Vogel Biilow oder der Schmidt von Bülow. Noch besser ist die französische Version:

Cest le compöre loriot,

Qui inange les cerises et laisse les noyaux (So ist der Gevatter Pirol, die Kirschen frisst er und die Kerne lässt er liegen.)

Und in Italien hat man sowohl Rhythmus wie auch Tonhöhe wieder­zugeben verstanden; den dort singt der Pirol:

Contadino, e lo fico maduro.

(Bauer sage, ist die Feige schon reif.)

Ebenso genau wie die Vogelstimmen wurde auch Form und Ent­wickelung selbst unscheinbarer Pflanzen beobachtet. Die Namen Täuber­leinnest (für Aconitum, Eisenhut), Nägelchen (Dianthus, Nelke), Elfen­handschuh (Aquilegia, Akelei), und Ohrbommol (Fuclisia), geben Zeugnis von sorgfältiger Beobachtung der Blütenformen; wie selbst wenig auf­fällige Veränderungen Beachtung finden, zeigt der Name Regenblume (für Calendula, Ringelblume) der andeutet, dass die Blüte sich schliesst,