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Kurl Müllenhoff.
wenn der Himmel sieh bewölkt. Der enge Zusammenhang zwischen dem Tier- und Tflanzenleben und den meteorologischen Flrseheinungen wird in gar manchen Bauernregeln ausgesprochen. Wenn die Wiesen im Frühjahr vom Wiesenschaumkraut ganz weiss sind, ist eine Überschwemmung zu erwarten, heisst es in der Niederlausitz. Richtig ist auch der Spruch: Fabian, Sebastian, laet den Saft int Holt gaen; d. h. nach dem 20. Januar darf kein Holz mehr gefallt werden.
Mit ganz besonderer Sorgfalt beobachtete der Bauer die für seine Arbeiten so wichtige Tageslänge. Richtig ist die noch aus der Zeit des alten Kalenders stammende Angabe St. Imzen (13. Dezember) macht den Tag stutzen; d. h. die Abnahme der Tage hört dann auf. Während der ersten Wochen nach dem kürzesten Tage wächst die Tageslänge nur wenig, nur um einen Hahnenschritt. First im F'ebruar werden die Tage merklich länger; in den F'ebruar fällt zugleich die kälteste Zeit des Jahres; daher heisst es mit Recht: Wenn die Tage langen, kommt der Winter angegangen. — Der Januar hat im allgemeinen eine gleichmässig niedrige Temperatur; der F'ebruar ist unbeständig, mit wärmeren Tagen wechselt die allergrösste Kälte. Mit Recht sagt daher der F'ebruar zum Januar: Hätt ich die Macht wie du, das Kall» müsst’ erfrieren in
der Kuh.
Gegen Finde März sind die Tage bereits so lang, dass der Bauer zu seinen Arbeiten im Hause kein Licht mehr braucht; dieses währt bis Finde September, daher heisst es: Marieken (Empfängnis, 25. März) pustet dat lucht ut, Michel (Michaelis, 29. Semptember) steckt et wedder an.
Der Mond geht bekanntlich etwa alle 21 Stunden um 50 Minuten später auf, er verspätet sich im Erscheinen, de Maane geit to Beer. Nur um den 23. September herum ist die Verspätung unmerklich; da geit de Maane nicli to Beer. Wenn man daher in der vorletzten oder letzten Septemberwoche Vollmond hat, so scheint der Mond 8 Tage lang und hilft die Flrnte beenden; deswegen spricht man im englischen geradezu von dem Harvestmoon (dem Ernte-Monde).
Von den Sternbildern fand der Gürtel und das Schwert des Orion eine besondere Beachtung. Die Friesen nennen diese Sterne die Harke und die friesischen Frauen richten sich um die Zeit des Nachhausegehens zu bestimmen bei ihren Spinn- und Strickvisiten nach der Stellung dieser schönen und leicht kenntlichen Sterngruppe.
Fast durchweg knüpfen sich die vom Volke gemachten Beobachtungen an die Bedürfnisse des täglichen Lebens an; fast alle Aussprüche über Wind und Wetter und über den Gang der Gestirne sind für die Praxis des Landmanns ersonnen. Der Nutzen des Schnees für die Saat wurde erkannt: Unter dem Schnee ist das Mehl; ferner: Eine gute Decke von Schnee bringt das Winterkorn in die Höh, und kurz und sinnig: Eine weisse Gans (der Schnee) brütet besser.