Heft 
(1896) 5
Seite
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Karl Müllenhoff.

das Leitungsvermögen der Luft. Hat man zwei Ilollundermarkkügelchen derart elektrisiert, dass sie sich stark abstossen, so braucht man in der Nähe nur ein Streichhölzchen anzuzünden und die Kugeln fallen zu­sammen ; die Verbrennungsprodukte des Zündhölzchens machten die Luft leitend für die Elektrizität und die Kugeln haben sich sofort entladen. Daraus folgt, dass jedes an der Erde entzündete Feuer, jeder Kamin, aus dem Hauch aufsteigt, als langsam aber sicher wirkende Entlader der elektrischen Spannung wirken. Dementsprechend zeigen sich denn auch die Fabrikschornsteine als in ganz augenfälliger Weise unverletzlich gegen Blitzschläge. Dieses wurde durch eine in Schleswig-Holstein vor- genommene Statistik der Blitzschäden bewiesen. Die Zahl der Blitz­schläge war dort nämlich für Kirchen über 20 Mal, für Windmühlen sogar fast 30 Mal so gross, wie für die gleiche Anzahl von Fabrik­schornsteinen.

Bekannt ist, dass die Weinbauern ihre Pflanzungen im Frühjahr und Herbst vor den gefährlichen Nachtfrösten schützen, indem sie Mist, Kartoffelkraut, Bohnenstroh und dergleichen verbx-ennen, und alles in Rauch einhüllen. Auch dieses Verfahren ist erst, nachdem es Jahr­hunderte lang geübt ist, von der W issenschaft als zweckmässig erkannt worden. Durch den Hauch wird die nächtliche Ausstrahlung der Wärme verhindert, und es bleibt daher dem Erdboden und den Pflanzen die hohe Tageswärme fast unvermindert erhalten.

Die Erkenntnis, dass die Aschenbestandteile für die Pflanzen von grösster Bedeutung sind, war bekanntlich der Ausgangspunkt der durch Liebig und seine Schüler angebahnten Reform der gesamten Landwirt­schaft. Doch hat lange bevor die Agrikulturchemie die Lehre von der Düngekraft der Mineralstoffe fand, der niederdeutsche Bauer den für die Praxis wichtigsten Teil der Liebigschen Düngerlehre bereits als richtig erprobt, die Asche als geeignetes Düngemittel verwendet und ihre Anwendung in den WortenWer kein Geld für Asche ausgiebt, zahlt doppelt, dringend empfohlen.

Ja selbst die allerneueste grosse Entdeckung, die auf dem Gebiete der Landwirtschaft gemacht worden ist, dass die Schmetterlingsblütler (Klee, Serradella, Hülsenfrüchte) den für alle Pflanzen unentbehrlichen Stickstoff aus der Atmosphäre zu entnehmen und zu assimilieren ver­mögen, ist den Bauern bereits seit langer Zeit, in der Hauptsache wenigstens, bekannt gewesen. Noch vor 10 Jahren kannte die Wissen­schaft keinen Unterschied zwischen den verschiedenen grünen Pflanzen bezüglich ihrer Nahrungsaufnahme. Es galt die Lehre, dass alle genügend mit Blattgrün versehenen Gewächse aus den unsere Atmosphäre zu­sammensetzenden Luftarten sich nur die Kohlensäure aneignen könnten, während sie hinsichtlich der Mineralstoffe und des Stickstoffs auf die Nahrungsaufnahme aus dem Erdboden angewiesen seien. Im Gegensätze