Heft 
(1896) 5
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Aus dem Reiche der Pilze.

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interessieren begann. Leider nur auf grossen Umwegen, da ohne vor­angegangene Kenntnis der eigenartigen Bedingungen in der Gestaltung der Pilze Irrwege und Schein-Resultate unvermeidlich waren.

Da konnte man zu jener Zeit sich nun nicht gut auch noch den Kopf darüber zerbrechen, wie sich die geniale Entdeckung- Winogradskys mit jenen Anschauungen vereinigen lasse. Das hätte viel eigene Arbeit erfordert, die Beweise des Gegenteils waren nicht leicht und es entstand sehr schnell eine Art bakteriologische Schule. Diese neuere Medizin glaubt an Krankheits-Erreger und geht von der Ansicht aus, dass gewisse Stoffe im Blute vorhanden sein müssen, welche wieder eine jene Gefahren vernichtende Eigenschaft haben. Auf dieser Anschauung hat sich die Serum-Therapie aufgebaut. Jndess wird auch sie in ihrer Entwickelung auf die physiologischen Bedingungen, welche aus der Mannigfaltigkeit der kleinsten Bildungen hervorgehen, zurückgreifen müssen. Derartige Beobachtungen haben vorläufig noch zu keinen klärenden Resultaten ge­führt, indes ist es nicht ausgeschlossen, dass sich Beweise dafür erbringen lassen würden, wie gerade die als schuldig Angeklagten es sein könnten, welche nur deshalb gleichzeitig mit der Krankheit auftreten, weil sie dieselbe zu bekämpfen bemüht sind.

Ein Haupthindernis für diese schwierige Streitfrage ist ihre un­endliche Tragweite. Es handelt sich um eine vollständige Umwälzung der naturwissenschaftlichen Grundlagen. Aus welchem Lager der Genius erstehen wird, welcher die Widersprüche erklärt und versöhnt, muss die Zukunft lehren. Gegenwärtig ist es nicht leicht für die Botaniker in diesen Kampf einzutreten. Es lag durchaus nicht nur die Gefahr vor, dass manches Buch und manches Kollegienheft damit durchaus nicht mehr stimmen konnte, sondern forderte eine direkte Auseinander­setzung zwischen Botanik und Medizin. Dazu fehlte den Botanikern Mut und Neigung, so beeilte man sich nicht und die Medizin war desto schneller. Einerseits behalf man sich in ihr mit der notdürftigen Er­klärung, dass es auf Erden schon vor Pflanzen und Tieren Mikroben gegeben haben müsse, mitunter sogar ohne auch nur den Namen des grossen Pfadfinders zu nennen,*) anderseits fand man in der Pilz-Lebe- welt eine so grosse Mannigfaltigkeit, dass die Medizin imponirend an sich selber glaubte.

*) Nach Nummer 243 in der Beilage der Allgemeinen Zeitung, München, Dien­stag den 20. Oktober 1896, sagt Sir Joseph Listers in seiner Rede am 16. September 1896 bei Eröffnung derBritish Association in Liverpool:

Gleich notwendige Funktionen haben jedenfalls diese oder ähnliche Mikroben in der Geschichte vergangener Erdepochen ausgeübt und der Gedanke ist gewiss nicht ohne Reiz, dass Organismen von der denkbar einfachsten Art schon vorhanden waren, als das erste Leben auf unsem Erdball erschien und dass diese Organismen aller Wahrscheinlichkeit nach dasselbe niedrige aber ausserordentlich nützliche Da­sein schon während der geologischen Perioden dahinlebten/'