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Josephine Frevtag.
Auf die Frage des Weges der Stickstoffbildung ging niemand ein, weil jeder der nun unzählig sieli diesem Gebiete Zu wendenden, die Frage nach den Pilzen im Blute kranker und gesunder Menschen viel wichtiger fand. Das ist vom medizinischen Standpunkte selbstverständlich und hat den Erfolg, dass eine ganze Zahl origineller, wichtiger und wirklich neuer Beobachtungen gemacht worden sind. Leider wurden fliese sofort im Banne der Impfungstheorie zu Experimenten benutzt, während wir vorläufig doch nur sagen können, dass eine grosse Anzahl sich ergänzender oder bekämpfender kleiner Pilzbildungen im tierischen Körper die Lebensthätigkeit regeln: Pilze sind Stoffträger und Stoffsammler, d. h. die Organe für Ansammlungen, wie Wanderung der Stoffe, durch welche sich sowohl deren Entwickelung, wie Verbindung untereinander, als ebenso gegenseitige Vernichtung vollzieht. Es ist der Anfang alles Lebens nach demselben unerbittlichen Gesetze der Kraftentfaltung, wie es die ganze Natur belebt. Deshalb bedürfen sie ebenso ihrer bestimmten Nahrung und hängen in ihrer Existenz von dem ab, was ihnen zugänglich ist. Versagt ihnen die Umgebung das Notwendige zu ihrer Entfaltung, so müssen die kleinen Bildungen ebenso wie die grösseren verderben. Ja, nach Art, Lage und Abhängigkeit sind sie alsdann mehr oder weniger überflüssig, störend oder schädlich, ja direkt giftig geworden, da sie sich am schnellsten in Leichengift umsetzen. Vielleicht stirbt die Kreatur gerade deshalb, weil vorher ihren Pilzkolonieen die Lebensbedingungen geraubt waren nun erst an diesen Folgen.
Jedenfalls stammen sehr viel Schlussfolgerungen aus dem Verlangen, Leichengift, welches sich nachher zeigte, als Krankheitsursache fest- halten zu wollen. Da es sich schneller behaupten als nachweisen lässt, wie der eigentliche Zusammenhang sich gestaltet, so fehlte in der Botanik die Neigung, mit entgegenstehendeu Beobachtungen hervorzutreten. War diese Wissenschaft, welche die Pilze bis dahin verwaltete, im Aufnehmen der grossen wissenschaftlichen Beobachtungen zu langsam gewesen, desto schneller war nun die Medizin. Sie hatte garnicht die physiologischen Schwierigkeiten, welche man im Pflanzenleben gewonnen, erst zu überwinden, da sie nichts davon wusste. So konnte sie frisch darauf losexperimentieren, denn es passte ihr jedenfalls ungemein, an Krankheitserreger zu glauben, besonders an solche, welche kein anderer abstreiten konnte, selbst wenn er sie nicht fand. Sie waren ja gar so
Hiernach sind Organismen von der denkbar einfachsten Art als kein Leben betrachtet, weil sie lange vorher, ehe das erste Leben auf unseren Erdball erschien, ihr nützliches Dasein gelebt haben sollen. Eine solche Folgerung kann der gelehrteste Mediziner nur alsdann machen, wenn er einem Scheidestrich zwischen Organismen und Organismen an einer ihm beliebigen Stelle setzte. Ein Gegensatz zu jeder naturwissenschaftlichen Anschauung!