Heft 
(1896) 5
Seite
412
Einzelbild herunterladen

412

Josephine Freytag.

bestätigt, mitunter, indem man es nur in der wenig anerkennenden Form erwähnte, dass unzweifelhaft der Organismus die Fähigkeit besitze, durch von ihm selbst hervorgebrachte Substanzen sich gegen mikrosko­pische Feinde zu schützen. Jedenfalls aber war damit die Thatsache in die Erkenntnis aufgenonnnen, weil auch andere Beobachtungen, so die von Metschnikoff über die Wanderungsfähigkeit der meisten Pro­toplasmakörperchen, d, h. mit Kern und Deckhaut versehener Pilze im Blute der Tiere, dafür sprachen, wie denn überhaupt die Thätigkeit der Pilze im tierischen Körper die wichtigste Rolle spielt. Höchst findig ist auch ein Verfahren, welches eine Frau, Miss Editha Claypole aus­führte, um diese Untersuchungen zu bestätigen. Es gelang ihr mit be­sonderer Klarheit nachzuweisen, welch grosse Bedeutung die vielen kleinen Pilze in unserem Körper für dessen Wohlergehen haben. Sie spielen, wie es scheint, die Bolle einer Gesundheitspolizei, indem sie ihnen Gefahr Bringendes wegzudrängen bemüht sind. Sie erreichen so­gar durch Anklammern an die Aderwände, dass sie, dem Blutstrom entgegen, Schädliches durch die engen Maschen des Gewebes hinaus zu drängen vermögen.*)

So ist das grosse Reich der Pilze überall lebendig, von der dürf­tigsten Mikrobe, welche sich von mineralischen Stoffen nährt bis zu den wesentlichsten Bildnern unseres Blutes. Ja, sogar über das phy­sische Leben hinaus in der Geistesbildung zur Fortentwickelung der Menschheit sind auch nocli jene kleinen Zellen thätig, wie die exakten Beobachtungen, welche Professor Dr. Andriezen in London an unzähligen Gehirnuntersuchungen machte, beweisen.

Andriezen fand nämlich auch die bisher als einfach organische Kittmasse angesehene Zwischensubstanz des Gehirns, bestehend aus den Amöben ähnlichen, kleinen Organismen, welche nach Schleichs An­schauung die einzige Erklärungs-Möglichkeit einer durch ihre Hemmungs- thätigkeit geregelten Funktion der elektrischen Spannung darbieteu.

*) Miss Edith Claypole, amerikanische Aerztin, wollte nachprüfen, ob die weissen Blutkörperchen (Leucocyten) wirklich wanderungsfähig, als freie Zellen, d. h. Pilze zu betrachten sind, während sich die roten Blutkörperchen nur innerhalb ihrer Zellenwand bewegen können. Da von den ehengenannten Forschern angenommen wurde, dass krankheiterregende Pilze oder sonstige Stoffe durch die Wanderungs­fähigkeit beseitigt würden, so spritzte sie Bussstäubchen in die Blutader eines kleinen Fisches, dessen Kiemen mit einer dünnen, glashellen Halft bedeckt waren. Bald konnte sie beobachten, dass erst einige der Leucocyten Kohlenstäubchen umschlossen hielten. Bald nahm die Zahl der mit Russ beladenen zu, bis sich kein einziges freies Kohlenstäubchen mehr finden liess.

Nachdem nun der Fisch getötet und genau untersucht war, ergab sich, dass die betreffenden Leucocyten ausgewandert waren. Einige hatten bereits die äussere Körperhaut oder die die grossen Körperhöhlen auskleidende Schleimhaut erreicht und sich hier ihrer Last nach aussen hin entledigt.