Heft 
(1896) 5
Seite
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Aus dem Reiche der Pilze.

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Demnach wäre auch das geistige Leben an die antagonistische Thätig- keit kleinster Lebenswesen gebunden. Die Konsequenzen dieser Beob­achtungen für die Fortentwickelung der Menschheit hat in überraschend fesselnder Weise Dr. Schleich in seiner Psychophysik des künstlichen »Schlafes gezogen.*)

Aus all diesen so mühevoll gefundenen Einzel-Beobachtungen lässt sich die Totalität der grossen Aufgaben der Pilzthätigkeit im Haushalte der Natur übersehen. Aus chemischen Ursachen entstehen sie in der denkbar kleinsten Gestaltung zu allererst von allen organischen Ge­bilden. Trotz der erlangten Fähigkeit zur Fortentwickelung und Fort­pflanzung hört die unendliche Kraft der immerwährenden Neugestaltung aus chemischen Ursachen durchaus nicht auf. Sie üben als Erstlings- Lebewesen ihr Herrscherrecht auf Erden, ihre nie endende, unermüd­liche Thätigkeit im ganzen All der Erscheinungen fort und fort aus; sie liefern dem Erdboden Wärme und Nährkraft, ihn zum Hervorbringen jedes Grashalmes zu befähigen und führen erhöhte Lebensbedingungen jeder grösseren Pflanze, sei es Eiche, sei es Palme, zu. Von den denk­bar kleinsten Monaden und Mikroben an, von den bisher als Urformen angenommenen Amöboiden zu den Blutkörperchen der Leukocyten, zu Bakterien und Bacillen treten sie miteinander in Verbindung und be­ginnen dadurch eine Wanderung der Stoffe. Ob das Miteinander­verwachsen und Vorwärtsdringen, ob das Mitwirken der dadurch ent­standenen äusseren Reibung, ob dies Wirken im Nebeneinander, ob das Verschmelzen zusammengeführter Stoffe oder dies alles zusammen die ersten Lebensfunken gestaltet, jedenfalls entsteht durch Pilzthätigkeit die lebendiggewordene Kreatur, welche zur Bewegungsfähigkeit gelangt. Ja, ihre nie endende, aller Fortentwicklung zustrebende Thatkraft voll­zieht schliesslich nach unendlicher Fortentwicklung auch die Anregung zur Neubildung jener Zellen, welche der Spannkraft des Geistes im menschlichen Gehirn dienen müssen. Schwer zu lösende Rätsel sind es allerdings, welche die Lebenskraft des All zu ihrer Erkenntnis uns ab­verlangt; wir aber haben diese Aufgabe zu bewältigen und auch die Nutzanwendungen daraus zu ziehen, welche das Gedeihen der All­gemeinheit bedingt.

Sind es schwierige Aufgaben für menschliches Wissen und Können,

*) In seiner Psychophysik des künstlichen Schlafes sagt Dr. 0. L. Schleich: Die anfänglich roheste Form der Lebensäusserung, vielleicht ihre erste und letzte zugleich, dieIrritabilität, schritt im Laufe der ungeheuerlich grossen Ehtwickelungs- perioden im Sinne der Arbeitsteilung durch Gruppierung besonderer Zellengruppen zu den komplizirtesten der Erhaltung dienenden I ormationen.

In den den geistigen Funktionen dienenden Schichten der Grosshirnrinde haben die dem geistigen Leben angepassten Zell-Individuen eine bemerkenswerte Formen- Analo"ie zu den Urformen des Lehens, den Amöboiden-Leibern mit einem oder mehreren Protoplasma-Fortsätzen.