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Josephine Freytag.
so lange es sich um den Anfang alles Lebens in den für unser Auge nicht einmal wahrnehmbaren mikroskopischen Pilzbilduugen handelt, so ersteht uns eine, wenn auch nicht mühelose, so doch viel leichtere Aufgabe, wenn wir uns den grösseren Gebilden zuwenden, dort den Nutzen zu prüfen. Es handelt sich Gei einer derartigen Betrachtung um ein anderes Gebiet des Interesses, nämlich um die Essbarkeit grösserer Pilze. Sie sind als leicht in die Augen fallend der Menschheit von jeher fiir ihre Ernährung als nützlich erschienen. Unter einigen Völkern werden sie allgemein verwertet, unter anderen mit geringen Ausnahmen vollständig gemieden. Vor allem fehlt uns die Kenntnis, welche wegen der grossen Mannigfaltigkeit einige Schwierigkeiten für richtige Anwendung macht. Jndess viel bequemer können wir mit ihnen prüfende Beobachtungen anstellen, und sie geben uns in vielen Dingen, so in Betreff der Untersuchungen, wie sie Professor Errera bereits an grösseren Pilzen vor neun Jahren gemacht hat, leichter zu verstehende Erklärungen. Er theilte darüber in der sechzigsten Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte in Wiesbaden (von 18. bis 25. September 1887) folgendes mit: Er habe junge Ascomyceten (Periza vesiculosa) untersucht und darin Glykogen durch das ganze Gewebe verteilt gefunden. In älteren Exemplaren sei dasselbe völlig verschwunden gewesen, weil es dem Hymenium Zuströme, sobald dieses sich entwickele und sich in der Ascis*) anhäufe. Bei der Fruchtreife sei es verschwunden, indess hätten die Sporen Reservestoffe aufgespeichert.“ Da finden wir also die Thatsache der Stoffwanderung, wie sie Professor Winogradzky und Metschnikoff beobachtet, sogar in grösseren Pilzen bewiesen.
Interessant an dieser Mitteilung ist auch der Umstand, dass Professor Errera das Wort „Fruchtreife“ gebraucht. Jede Wissenschaft hat ihre eigene Terminologie. Die Botanik bezeichnet mit Frucht nur, was sich aus der Blüte entwickelt hat. So lange also Pilze nur als eine Familie oder Ordnung der Klasse der Kryptogamen, d. h. einer Pflanzengruppe eingereiht sind, welche verborgene Befruchtungsorgane und keine wahren Blüten hat, so lange wäre dieses Wort im Widerspruch mit der botanischen Wissenschaft. Professor Errera befand sich, als er es gebrauchte, natürlich vollständig in der Erkenntnis, dass die so gew'altig wirkenden Kräfte, welche eine Fülle unfreier Zellen als Nährboden für jene freien zu ihrer Fortpflanzung bestimmten Zellen aneinanderreihen, eine eigene Tei'minologie beanspruchen können, wie sie ein eigenes Reich darstellen. Das Wort Frucht im Sinne von Pilzen gebraucht, ist dann ein ganz vorwiegend aus Eiweiss bestehendes
*) Den Schlauchbehältern,jin welchen die Sporen der Ascomyceten lagern. Das Glykogen bildet hier das von Professor de Bary längst beschriebene Epiplasma.