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Aus dem Reiche der Pilze. 4.45
Fleisch, welches durch seinen Reichtum an Niilirsalzen und aromatischen Stoffen einen unersetzlichen Beitrag für die Ernährung von Tieren und Menschen so lange liefert, als diese Vorratskammer nicht bereits für die Bildung von Sporen erschöpft ist. Die Fruchtreife verändert den Nährwert der Pilze vollständig, was bei der Raschlebigkeit dieser ersten so gewaltig wirkenden organischen Gebilde recht wesentlich in Betracht kommt. Dieser Punkt ist bisher so gut wie garnicht berücksichtigt worden, für uns, die wir uns jenen grösseren Gruppen zuwenden wollen, welche der Ernährung dienen können, aber höchst wichtig.
Denkende Frauen hatten natürlich viel früher beobachtet, dass junge Pilze weit schmackhafter sind als ältere, aber erst neuerdings sind die Ursachen dieser Thatsache von der Wissenschaft festgestellt worden. Indes kann eine Uebertreibung unter Umständen gefährlich werden. Eben weil mit der Wanderung der Stoffe jene grösseren Pilze auch ihre Formen sehr verändern, so giebt dies für das Auge derer, die noch nicht sehen gelernt haben, leicht zu Verwechselungen Anlass. Die Farbe der Oberhaut ist bei Pilzen für die Bestimmung unwesentlich. So gut wie es rote und weisse Rosen giebt, haben wir bei vielen Pilzarten verschiedene Farben der Oberhaut. Leider wird von der Unkenntnis nur nach dieser geurteilt. Daraus ergiebt sich ernste Giftgefahr bei zwei Arten der von uns zumeist genossenen Pilze. Als Champignon bezeichnen wir braunsporige und deshalb im Alter an der Hutunterseite schokoladenfarbige Psalliota-Arten. Als hocharomatisch zeichnen sich P. campestris und P. silvatica mit inilchweisser Oberhaut aus. Ein wenig Küchen - Eitelkeit liebt es an Fricassee, Beefsteak ganz junge Champignon undurchschnitten zu benutzen. Würde man sie durch- schneiden, so zeigte sich sehr bald an der alsdann sichtbaren Lamellenschicht eine rosige Färbung. Die kleinen völlig geschlossenen Pilze haben hingegen eine für Unkenntnis bedenkliche Ähnlichkeit mit jungen Exemplaren des schlimmsten aller Giftpilze, der Amanita phalloides. Diese ist meist zart hellgrün, mitunter braun, glücklicher Weise selten weiss. Um so leichter werden sie alsdann gerade als Champignon betrachtet, so lange sie noch ganz jung in der milcliweissen Wulsthaut stecken. Würde man sie durchschneiden, müsste man die Trennung bemerken, welche zwischen den sehr kleinen Köpfchen und der von unten nach oben stehenden Wulsthaut besteht. Das geschieht aber nicht, obgleich ganze Pilze durchaus nicht leicht mit den Zähnen so vollständig zermalmt werden, wie es für die Ernährung notwendig ist. Der Pilz ist doch ein Schwamm, der in grösseren Stücken dem Magen völlig unnötige Arbeit macht. Der hohe Wert des vielen Eiweiss, der aromatischen Stoffe, der Nährsalze, die uns in den Pilzen bei richtiger Behandlung zur Verfügung ständen, können uns nur zu teil werden, sobald fleischige Pilze mit dem Wiegemesser bearbeitet, zähe oder harte über-