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Josephine Freytag.
liaupt nur als Suppen oder zur Bereitung von Saucen benützt werden. Es ist durchaus nicht blos die Unkenntnis der Arten, woraus Schädlichkeiten entstehen, wir verstellen auch nicht vernünftig zu ernten, zu transportieren, zu lagern, zu reinigen, zuzubereiten, ja nicht einmal zu essen.
Die Wissenschaft der Ernährungslehre hat sich durchaus nicht beeilt, die notwendigen Kenntnisse auf diesem Gebiete zu gewinnen, und so können wir es durchaus nicht allein den Frauen zum Vorwurf machen, dass die grösste Unvernunft vorläufig bei uns allgemein herrscht. Da aber auch der Geldbeutel recht erheblich geschädigt wird, könnte doch etwas mehr geschehen, den Übelständen abzuhelfen. Wenn der herzlich unbedeutende Acker- oder Schaf-Champignon, Psalliota arvensis, in allen Berliner Markthallen, mit seinen langen und schweren Stielen, seinen hellgrauen Lamellen als Einmache-Champignon recht teuer bezahlt wird, so kann das weniger unser Bedauern wachrufen, als die unglaublich hohen Summen, welche alljährlich nach Paris und Brüssel für höchst minderwertige Champignons wandern. Man glaubt nicht, welche Unmassen ein einziges Weinhaus oder Restaurant verbraucht, der grossenTestlich- keiten gar nicht zu gedenken.
Die Champignons, welche in Paris in grossen Steinbrüchen gezogen werden, sind dort nach und nach so verändert, dass sie immer weniger Fleisch und immer mehr Lamellen zeigen. Bereits hat die Pilzbotanik die getriebenen Pilze nur noch als Varietät bezeichnet. Ähnlich ist es mit den in Brüssel gezogenen, und was alles zu den Winterfestlichkeiten in den Berliner Delikatesshandlungen aus den verschiedensten Kulturen verkauft wird, ist meist eine Abstammung vom Psarvensis, demgemäss herzlich wenig aromatisch. Nun hat aber gerade Berlin die prächtigste Champignon-Kultur der Welt in seinem Tempelhofer Felde. Die Natur versteht das Verändern mitunter besser als der Mensch. Der trockene Sand im Verein mit verrottetem Pferdedung liefert zwar sehr kleine aber geradezu wunderbai’e aromatische Pilze. Es bedürfte nur eines Zusatzes schwacher Alaunlösung bei beginnender Regen-Periode, um recht erhebliche Ernten mit grossen, einzig dastehenden wertvollen Produkten zu erzielen.
Diese Pilze haben für mangelhafte Erfahrung einen Fehler. Sie wachsen im Sommer und nicht im Winter, wo die grossen Festlichkeiten täglich so ungeheure Mengen beanspruchen. Das ist aber nur so lange ein Fehler, als die Frauen nicht das Auslaugen der Champignons in gekochter (nicht gebratener) Butter verstehen. Die aromatischen Stoffe würden in der zu den Saucen zu benutzenden Butter vortrefflich hervortreten, weil alsdann nur die bedenklichen, ganzen Pilze etwas weniger Wohlgeschmack haben, als es bei frischen der Fall ist. Das grösste Unrecht, welches in der Anwendung des Champignon geschieht, liegt hingegen in