Aus dem Reiche der Pilze.
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der Benutzung alter halb verfaulter Exemplare. Eifert man gegen diesen Missbrauch, so wird erwidert: So sind sie ja grade am allerbesten zu Soja! Das heisst: der pikante Geschmack des bereits im Verderben begriffenen hat noch keinen Todesfall nach sich gezogen. Deshalb werden die Zungen auf Kosten der Gesundheit solange befriedigt, als Leichtsinn und Unkenntnis ihr Unwesen fortführen dürfen. Weil wir uns nicht die Midie geben wollen, das Vortreffliche kennen zn lernen, benutzen wir in fahrlässiger Weise nach oberflächlicher Überlieferung und lullen unser Gewissen damit ein: Es waren keine Giftpilze, sondern Champignons. Geradezu unerklärlich ist diese Fahrlässigkeit, die sich an ein paar Pilzarten genügen lässt. Wer auch nur einen einzigen Pilz aus der Familie benutzen will, muss die verschiedenen Varietäten genau zu unterscheiden wissen, sonst kennt er eben den einen auch nicht, um den es ihm zu thun ist. Halbes Wissen genügt in diesem Falle durchaus nicht, da es vielerlei Ähnliches giebt.
Unsere märkischen Heiden sind aber so reich an Pilzen, dass wir sehr viel Gelegenheit zum Lernen haben. Nicht nur Laubwälder bergen selten prächtige Arten, sondern gerade die sandigen Kiefern- und Fichtenwälder am allerreichsten in unendlicher Mannigfaltigkeit, so dass sie uns wunderbar schmackhafte Speisen liefern können. Freilich in der Nähe Berlins wurde in der Neuzeit manches reiche Ernte-Gebiet unerbittlich anderer Bestimmung geopfert. Dahin gehört die Gründung von Halensee, auf dessen Boden bis dahin der unerschöpflichste Reichtum prächtiger Arten prosperierte. Selbst die Trabrennbahn bei Westend hat uns selten # wert- volles geraubt. Dort konnte man im Spätherbst, selbst noch bei schwachem Frost täglich unzählige Körbe des Tricholama portentosuin (grauer Ritterpilz) ernten. Die Brühe dieses angenehmen Pilzes schmeckt sehr ähnlich der von Lactarius deliciosus, Blutreizker, nämlich wie starke Hühnerbrühe. Andererseits haben die gesteigerten Verkehrs Verbindungen das Aufsuchen weiterer Gebiete erleichtert. Die Zehlendorfer Heide bietet dicht hinter dem Bahnhof Schlachtensee, wie nach allen Seiten eine reiche Auswahl, besonders in der Richtung nach Stahnsdorf. Ebenso ist Potsdam umgeben von einem Gürtel .von Waldungen mit unendlicher Mannigfaltigkeit an prächtigen Pilzen. Im Gebiete der Dahme zeichnet sich Wusterhausen mit seinem Eichenwald und die freilich nicht bequem zu erreichende Dubrow durch grossen Reichtum aus. Im Gebiete der Spree haben wir es gleich von Karlshorst an und weiter die ganze Wuhlheide, ebenso bei Friedrichshagen und Erkner, äusserst bequem zu ernten und zu transportieren und die Mannigfaltigkeit der Arten wächst mit der Entfernung von Berlin noch ganz erheblich. Durch seinen Überfluss an Helvellen (Lorcheln) vermag Zossen sich grosse Summen Geldes alle Frühjahr aus Berlin zu holen. Wer aber in der märkischen Schweiz, dem schönen Buckow je einen Herbst erleben konnte, der wird
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