Heft 
(1896) 5
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Josephine Freytag.

von denen bereite durch den Verbrauch ein Mangel eingetreten ist. Jede Vorrats-Aufspeicherung ist zweifellos schädlich, aber ganz besonders eine einseitige von phosphorsauren Salzen, wenn diese auch in der That noch so wichtig für unsere Körper sind. Man hält eben leider noch immer fast allgemein nur das Eiweiss für den eigentlichen Nährwert; das aber Ist ein grosser Irrtum. Der menschliche Körper braucht als Ergänzung in allererster Linie anorganische Stoffe, d. h. Luft, Wasser und Nährsalze, indes sind letztere erst assimilierbar, sobald sie im Leben der Pflanze für ihn vorbereitet wurden. Nur in den Pflanzen finden wir Stärke und Zucker, während die Fette, welche uns vorwiegend in den Früchten geliefert werden, ja auch in der so stark eiweisshaltigen Fleischnahrung enthalten sind. Von den Kohlehydraten, d. h. Stärke, Zucker und Fett, braucht der menschliche Körper 4 his 5 mal so viel als von Eiweiss, welches fälschlicherweise bisher ganz allein*) als Nähr­wert angenommen wurde. Ausser Stärke, Zucker, Fett und Eiweiss braucht der menschliche Körper aber auch aromatische Stoffe. Letztere sind vorläufig noch viel zu gering geachtet, sonst würden wir die hohe Bedeutung des Obstes für unsere Gesundheit besser berücksichtigen und selbst die Nährwerte, welche wir durch Auslaugung von Obstschalen ge­winnen können, zu benutzen verstehen. Auch die Bedeutung der Stärke ist unbegreiflicherweise sehr verkannt worden, vielleicht gerade deshalb, weil wir diese in Brot und Kartoffeln am billigsten haben können.

Wer vom Wesen der Ernährung nichts versteht, könnte daraus so­gar einen grossen Mangel der Pilze als Nahrung folgern, denn sie ent­halten nämlich gar keine Stärke. Aber weshalb folgert man denn, dass alles an Nährwert uns bereits von der Natur richtig zusammengesetzt geliefert werden soll? Sie hat es uns nicht nur überlassen, sondern uns direkt gezwungen, ihr Mitarbeiter zu werden, unsere Vernunft bei der Zubereitung unserer Speisen zu gebrauchen. Deshalb liefert sie uns nur eine einzige, für die erste Kindheit genügende Mischungdie Milch bereits fertig zubereitet, Diese kann deshalb für die Ernährung arbeitender Menschen nicht genügen, weil grosse Anstrengung an Muskel- oder Geisteskraft ganz anderen Kräfte-Ersatz braucht, als ein kleines Kind zum ersten Aufbau des Körpers.

Daraus, dass Pilze keine Stärke enthalten, haben wir also zu fol­gern, dass wir sie nur im Verein mit Kartoffeln, Brot, Reis oder Mais geniessen sollen. Sie enthalten hingegen die kostbarsten Nährwerte, mineralische Salze und Eiweiss in so hohem Uebermass, dass sie uns nur in geringen Mengen dienlich sind. Mitunter ist es aber ein so hartes Eiweiss, an welches die wertvollen Nährsalze und aromatischen

*) Erst neuerdings haben Chemie und Physiologie, letztere durch Professor Voit in München, diese allerwichtigsten Grundlagen der menschlichen Ernährung wissen­schaftlicher Prüfung entzogen.