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Josephine Frevtag.
gering. Die Natur hat hier der Unvernunft der Menschen Grenzen gesetzt. Sobald der Fäulnisprozess beginnt, verwandelt sich das sonst so schmackhafte Fleisch in Leben, und die gleich massenhaft auftretenden Maden-Kolonieen verhindern jede Möglichkeit sich durch Leichengift zu gefährden. Doch halt! Der angenehme Geschmack und die Thatsache, dass diese prächtigem Pilze sich nicht so lange wie Trüffeln und Lorcheln ohne direkt ekelhafte Merkmale des Verderbens teurer, als es eigentlich zu verantworten, verwerten lassen, hat sonderbare Schwärmer zu einem merkwürdigen Ausweg veranlasst: Sie hatten beobachtet, dass, in Salzwasser gelegt, die Maden sich sofort aus dem Fleisch entfernen und gaben öffentlich — man konnte es in vielen Zeitungen finden — den guten Rat, die Steinpilze so zu behandeln! Appetitlich ist nun gerade dieser Rat nicht, denn die. gesamte junge Brut, welche noch nicht zur Beweglichkeit gelangt ist, wird mit verspeist. Da hilft also nicht einmal die allergrösste Deutlichkeit der Natur, uns zu zeigen, wann etwas schädlich ist.
Auch die Verwechselungsgefahren mit schädlichen oder bitteren Arten sind im Verkauf ziemlich gering, denn die Sammler wissen alle, das besondere Härte, dicker Stiel und helle, sich ins grünliche entwickelnde Röhrchenschicht Merkmale von Boletus edulis sind. Wohl findet man einige ebenso unschädliche Arten in den Marktkörben, in- dess wohl kaum (wenigstens bei uns nicht) eine jener mit roter oder blassrosa Röhrchenschicht zu meidenden Boletus-Arten. Haben diese grellrote Röhrchen, so sind sie schädlich und dürfen nur nach Abkochen in Salzwasser genossen werden. Ganz blassrosa Röhrchen hat der gallenbittere B. felleus, Gallenpilz, und schon mancher Anfänger im Pilzesammeln hat sich damit ein Gericht verdorben. Hier ist also vor allem zu lernen, dass wir eine ganze Zahl äusserst schmackhafter Bo- letus-Arten,. so den in Oesterreich sehr beliebten Kapuzinerschwamm, B. scaber, oder Nusspilz, Maronenschwamm, B. badius*), ohne jede Gefahr benutzen könnten, es aber vorläufig nicht thun.
Wieder anders liegt es bei dem Verspeisen des kleinen Pfifferlings, Gelblings, Cantharellus cibarius. Er ist das Ideal der Verkäufer. Sie können ihn noch so lange, noch so imvernünftig zugedeckt in Körben, sogar bei heisser Witterung, umherstehen lassen, man betrachtet ihn auch dann noch immer als verkaufsfähig. Er wird wie Lorcheln und Trüffeln garnicht madig, und, wenn er schon dunkelt und feucht-ölig, deutlich verraten könnte, dass er schädlich geworden, sieht ihm das kaufende Publikum dies noch immer nicht an. Da er im trockensten Sande schon im Juni, also zu einer Zeit, wo junge Gemüse noch teuer sind, massenhaft gedeiht, deshalb sehr billig eingekauft werden kann,
*) Dieser läuft grün an beim Durchbrechen