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Josephine Freytag.
die man vorher abkochen muss, 4) von unbedeutendem Geschmack, die man dörrt und vermischt im Winter sauersüss zubereitet, 5) unbrauchbare, die schädlich, giftig oder von unangenehmem Geschmacke sind. Arbeit und Mühe macht freilich die gewissenhafte Benutzung der Pilze für unsere Ernährung, indes versteht es sich doch eigentlich von selbst, dass wir entweder gar keine Pilze verspeisen dürfen, oder uns erst die Mühe geben müssen, die notwendigen Kenntnisse dazu zu erwerben. Die deutsche Frau ist ja eigentlich so gern stolz auf ihre hauswirtschaftlichen Tugenden und manche, vielleicht jetzt schon eine Mehrheit, strebt auf allen Gebieten nach Erweiterung des Wissens und Könnens.*) Indes meine ich, sollte die Erweiterung zu allererst auf dem Gebiete der Gesundheits- und Ernährungslehre liegen, das müsste sich doch jedes Ehrgefühl sagen. Wenigstens weiss ich, dass es Ehrgefühl war, als ich dachte, es sei doch nicht richtig, dass wir uns auf polnische Bauerkinder verlassen müssten, welche Pilze wir essen sollen, und mir deshalb das erste Pilzbuch kaufte. Das sind jetzt gerade fünfzig Jahre her. Hatte ich doch schon vorher Eigentümlichkeiten beobachtet, die in mir Zweifel über die angegebenen Lehren erregten. So hatte ich beobachtet, dass die Fliegen schliesslich nicht mehr starben, wenn man neue Milch auf die für sie hingestellten Fliegenpilze goss. Daraus folgerte ich, dass es kein wirkliches Gift oder doch nur ungemein flüchtiges sein könne und machte den Versuch, derartige Pilze zu verspeisen. Nachdem ich erst die Oberhaut abgezogen, die kleinen Stückchen des Fleisches mit kochender Milch abgebrüht, diese den Fliegen hingesetzt und nach nochmaligem Abgiessen mit kochendem Wasser sie dann in Butter gedünstet hatte, habe ich sie ohne jeden Nachteil verzehrt und später die Beobachtung gemacht, dass sich die Schädlichkeit eben so durch Abkochen in Salzwasser entfernen lässt. Der Kochtopf ist auch eine chemische Retorte, und gerade Pilze geben bei der Zubereitung soviel zu Beobachtungen Anlass, dass denkende Frauen sich auch der Wissenschaft damit nützlich machen können.
Vor allem müsste uns aber ein Pflichtenbegriff leiten. Die Be-
*) Leicht hat man es den Frauen nicht gemacht, denn es wäre wirklich nicht notwendig, dass noch immer Vergiftungen vorkämen. In Oesterreich hat die Regierung wenigstens schon vor langen Jahren auf ihre Kosten das Dr. Loriner'sche Werk für die Volksschulen anfertigen lassen, und es hätte bei uns früher nur zwölf Unterrichts-Stunden zu beliebiger Zeit des Jahres und sechs Tagesexkürsionen während der Michaelisferien bedurft, um den Volksschullehrem soviel Kenntnisse zu vermitteln, dass jede Giftgefahr für sie und ihre Schüler ausgeschlossen war, aber es ist auf diesem Gebiete bei uns alles unterblieben, was ganz besonders für die Armut unersetzlich nützlich hätte werden müssen. Der Einzelne kann doch nur in sehr beschränktem Masse durchführen und was von der Mehrheit nicht angenommen wird, geht unbenutzt wieder verloren, wenn es mit noch so viel Mühe erworben war.