Heft 
(1896) 4
Seite
207
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Bttcherschau.

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Aufschwung. 40 neue Häuser wurden bis zum Jahre 1704 erbaut. Die Ein­künfte der Stadt wuchsen mit der Ansiedelung der Franzosen um mehr als 200 Prozent. Eine auffallende Erscheinung ist, dass der Ort besonders die adeligen unter den Refugies anzog. Unter den 46 Familien des Jahres 1705 befanden sich 9 adelige. Bis 1716 stieg die Zahl auf 27. Dem Bürgermeister, der die ganze Unternehmung nicht gerade begünstigte, war dieser Umstand nicht erwünscht. Eine Beschwerdeschrift an den Kurfürsten, in der er über die Refugies Klage führte, war besonders gegen die Vornehmen gerichtet. Auch zwischen den deutschen Bewohnern insgesamt und der Kolonie war das Verhältnis kein durchaus ungetrübtes. Schon 1702 kam es zu einem Konflikt, der die Existenz der Handwerker unter den Franzosen bedrohte.

So berichtet das Büchlein in schlichter ansprechender Form über die Gründung der Kolonie Müncheberg. Aber nicht bloss über den äusseren Vorgang giebt cs Auskunft, auch in das innere Getriebe des Unternehmens gewährt es uns Einblick. Welche Gewerbe von den Eingewanderten betrieben wurden, erfahren wir in einer Zusammenstellung (S. 16), welche lehrt, dass Wollspinnerei und Wollweberei, Zeugfabrikation, Strumpfwirkerei, ferner neben dem Tabaksbau der Gemüse- und Gartenbau bevorzugt .wurden. S. 22 f. berichtet es über die Privilegien der Refugies. In welcher Weise nach längeren Kämpfen zwischen dem Magistrat und der Kolonie die Recht­sprechung in Streitigkeiten einerseits zwischen den französischen Familien unter einander, andererseits zwischen ihnen und deutschen Familien organisiert wurde, erfährt man auf S. 25 ff. S. 32 f. lesen wir, wie der Bau der Kirche zu Stande kam, und wie über die gemeinsame Benutzung des Gotteshauses durch die reformierte und die französische Gemeinde ein Streit ausbrach, der endlich gütlich beigelegt wurde. Zuletzt verfolgt der Verfasser die Schicksale der Kolonie bis zu ihrer am 10. Dezember 1804 erfolgten Auf­lösung. Nach dem Anwachsen der Bevölkerung in der ersten Zeit der Niederlassung schrumpfte die Zahl der Mitglieder mehr und mehr zusammen. Der Hauptzweig ihrer Industrie fiel der Mode zum Opfer. Die aufkommende Baumwollenfabrikation vernichtete die im Kleinen betriebene Wollenweberei. Auch der Versuch, der Kolonie durch den Seidenbau aufzuhelfen, gelang nicht.

All das bringt die gehaltvolle Schrift zur Sprache. Sie macht in dem, was sie berichtet, den zuverlässigsten Eindruck, belegt sie doch alles Thal­sächliche quellenmässig. Der Verfasser hat offenbar die gründlichsten Studien gemacht und z. B. das geheime Staatsarchiv neu und erfolgreich ausgebeutet. Er gewann dadurch die Möglichkeit, ältere Auffassungen zu berichtigen und über manche Punkte neues Licht zu verbreiten.

Der zweite, in Aussicht gestellte Teil, der die Geschichte der fran­zösischen Kolonie in Fürstenwalde behandeln soll, wird das dürfen wir hoffen seine Aufgabe mit der gleichen Sorgfalt lösen. Pniower.